■ Cash & Crash: Hurra, die Deutschen kommen
Hamburg (taz) – Bischof Lehmann fürchtet um die „religiösen, kulturellen und sozialen Werte“, und dieses Mal sind sich sogar katholische Bischofskonferenz, evangelische Kirche und die Gewerkschaft HBV einig. Unbeeindruckt davon beharrt die Deutsche Börse AG weiterhin auf ihrem Plan, auch an Feiertagen Aktien und Wertpapiere zu handeln. Das wäre ein großer Schritt zu einer Harmonisierung des Börsenhandels in Europa. Damit es dazu kommt, wird zur Zeit weltweit fusioniert, kooperiert und antichambriert, daß es für Börsianer eine Freude ist.
Die gestern vorgestellten Bilanzzahlen der Deutschen Börsen AG lassen in der Tat Freude aufkommen: Der Bilanzgewinn kletterte 1998 um fast 40 Prozent auf 83 Millionen Mark. Und auch in diesem Jahr erhöhten sich Umsatz und Profitabilität wieder.
Die Deutsche Börse, Obergesellschaft verschiedener Börsensegmente und Handelsplätze in Frankfurt am Main tat sich erfolgreich als einer der Antreiber auf der Datenautobahn hervor. Im November 1997 war dort der Startschuß für das elektronische Handelssystem „Xetra“ gefallen. Der Computerhandel schafft neue Chancen für die europäische Vernetzung, denn warum sollte an der Landesgrenze Schluß sein? Obendrein zwingt der Euro, der schon jetzt mit dem Euro-Stoxx-Aktienindex die Frühform eines Euro-Aktienmarktes geschaffen hat, die Börsen zur Zusammenarbeit . Am Spekulantenhorizont zeichnet sich eine gemeinsame Plattform ab, auf der die wichtigsten Euro-Aktien gemeinsam gehandelt werden. Vermutlich wird dies eine Xetra-Modifikation sein.
Seit 1998 reiht die Frankfurter Börse, eine Veranstaltung der deutschen Kreditwirtschaft, Kooperation an Kooperation. Mit Amsterdam, Paris und Brüssel wurde der Spezialmarkt für Wachstumstitel vereinheitlicht, die Terminbörse fusionierte mit Zürich und Helsinki zur Eurex; Wien wartet auf die Einführung des deutschen Xetra-Systems zum Jahreswechsel. Mit New York und London soll eine Achse gebildet werden.
Aber spätestens diese aggressive Achsen-Strategie weckte den internationalen Widerstand. So schloß Paris und Zürich kürzlich ein eigenes Partnerschaftsabkommen. Die stolz verkündete Kooperation mit der Chicagoer Terminmarkt CBOT scheiterte heftig, die Verknüpfung mit der Simex in Singapur riß.
Hermannus Pfeiffer
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