: Deutsche Tugenden prägen DaimlerChrysler
Die „ Welt AG“ zeigt sich bei ihrer ersten Bilanz mächtig auf Wachstumskurs, doch mit der Integration hapert es noch. US-Manager verlassen den Konzern, US-Anleger investieren in amerikanische Firmen ■ Von Beate Willms
Berlin (taz) – „Speed, speed, speed“ hatte Daimler-Chef Jürgen Schrempp bei der Bekanntgabe der Fusion seines Unternehmens mit dem US-amerikanischen Autobauer Chrysler angemahnt. Und schon auf der ersten Bilanzpressekonferenz des DaimlerChrysler-Konzerns am Mittwoch konnte Schrempp gemeinsam mit seinem Mitvorstandsvorsitzenden, Ex-Chrysler-Chef Robert Eaton, tatsächlich einen „rasanten Wachstumskurs“ verkünden.
Mehr als 4,4 Millionen Autos verkaufte der Konzern 1998. Und in den ersten beiden Monaten dieses Jahres stieg der Umsatz noch einmal um sechs Prozent, vier sollen es im Jahresdurchschnitt werden, so daß er am Jahresende bei 137 Milliarden Euro liegen dürfte. Noch rasanter ging es mit den Dividenden bergauf – vor allem aus Sicht der früheren Daimler-Benz-Aktionäre, die sich über einen Sprung von 1,60 Mark auf 4,60 Mark freuen können. Die ehemaligen Chrysler-Anteilseigner sind größere Summen gewöhnt: Zuletzt gab es eine Dividende von 1,60 US-Dollar (etwa 3 Mark).
„Wir müssen Dividenden zahlen, die wettbewerbsfähig sind“, sagte Schrempp und ließ damit eine alte Befürchtung der deutschen Beschäftigten wiederaufleben. Schon vor der Fusion hatten sich Betriebsräte vehement gegen eine „Amerikanisierung“ der Unternehmenspolitik verwahrt, die in „übertriebenen Gewinnerwartungen“ und Sparprogrammen auf Kosten der Belegschaft enden werde. Bislang scheint zumindest diese Sorge unbegründet.1998 stieg die Zahl der Beschäftigten um 19.000 auf 441.502.
„Der Zeitraum ist noch zu kurz, um die tatsächlichen Effekte beurteilen zu können“, sagte Wolfgang Menzel von den Kritischen DaimlerChrysler-Aktionären. Aber die ersten Maßnahmen zur Integration der beiden Unternehmensteile zeigten, daß „noch mit starken Synergieeffekten“ und entsprechenden Rationalisierungen beim Personal gerechnet werden könne.
An der Unternehmensspitze hat man im Moment allerdings kurzfristig ein ganz anderes Problem. Die Integration verläuft zwar offiziell „voll nach Zeitplan“ (Schrempp), vor allem beim Managment aber keineswegs reibungslos. Dabei fühlen sich vor allem viele Ex-Chrysler-Manager von den „eroberungswütigen Germanen“ ausgebootet, wie USA Today dieser Tage berichtete. Nach ihrer Rechnung sind nur zwei von zehn Topstellen von Amis besetzt. Selbst Eaton, der eigentlich drei Jahre lang neben Schrempp an der Spitze des Unternehmens ausharren wollte, soll bereits Unlust bekundet haben, seinen Vertrag zu erfüllen.
Ähnlich sieht es bei den US-Anlegern aus. Am Day One im November lag ihr Anteil an den DaimlerChrysler-Aktien noch bei 44 Prozent. Inzwischen ist er auf 25 Prozent gesunken. Dahinter steht aber nicht in erster Linie der „fehlende amerikanische Akzent“, den auch das Wall Street Journal bemängelt, sondern vor allem der Ausschluß des DaimlerChrysler-Papiers aus dem Aktienindex Standard & Poor's, weil vor allem institutionelle Anleger ausstiegen. In dem Index für die 400 US-Spitzenwerte dürfen nur amerikanische Unternehmen auftauchen, DaimlerChrysler ist jedoch in Deutschland handelsgerichtlich eingetragen und zahlt dort auch Steuern – zumindest theoretisch: 1998 mogelte sich der Konzern wieder mit hohen Verlustvorträgen um die Ertragsteuer herum. Verhandlungen zwischen Eaton und der New Yorker Börse über eine neue Firmenkategorie für global operierende Unternehmen blieben bislang erfolglos.
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