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Kosten spielen auch in Demokratien keine Rolle

■ Vom Krieg profitieren vor allem vier große US-Rüstungskonzerne. Sonderkredit soll Engpaß bei Cruise-Missiles der Air Force abwenden

Wieviel hundert oder tausend Menschenleben der Nato-Angriff auf Jugoslawien gefordert hat, ist aus den Propagandameldungen beider Kriegsparteien nicht herauszufiltern. Mehr noch als auf die erschreckende Todesbilanz dürften die Serben aber auf die horrenden Kosten eines solchen Krieges für die westlichen Marktwirtschaften hoffen.

Die jugoslawische Wirtschaft ist bereits nachhaltig durch die seit Jahren andauernde Kriegs- und Embargowirtschaft geschädigt und hat so gesehen nicht mehr viel zu verlieren. Anders sieht es bei den Nato-Staaten aus. Vor allem die Europäer hoffen auf eine baldige Erholung ihrer schwächelnden Volkswirtschaften. Da kommen höhere Kriegsausgaben ungelegen – das erhöht im allgemeinen die Zinsen und damit die Investitionskosten für die Wirtschaft. Schließlich kostet der Krieg nach Schätzungen von US-Militärexperten 500 Millionen Mark pro Tag. Wenn die Luftschläge noch Wochen anhalten, reichen die 400 Millionen Mark nicht aus, die dafür im Bundeshaushalt vorgesehen sind.

Werden also die Haushaltsausschüsse in den Parlamenten der Nato-Staaten die Notbremse ziehen? „Das wird leider nicht der Fall sein“, vermutet Evamaria Loose-Weintraub, Spezialistin für Militärausgaben am Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. „Auch im Golfkrieg haben Kosten keine Rolle für die Dauer des Krieges gespielt.“

Die Kostenfrage wird höchstens bei Anlässen wie dem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 1997 gestellt. Da kritisierte der republikanische Clinton-Herausforderer Bob Dole die Bekämpfung irakischer Radaranlagen mit Marschflugkörpern im Golfkrieg: „Es ist nicht sehr wirtschaftlich“, so damals Dole, „eine Radaranlage im Wert von 60.000 Dollar mit einer Cruise-Missile zu zerstören. Wir brauchen etwa 18 Monate, um eine Neue zu bauen, und sie kostet über eine Million Dollar.“

Wenn von solchen Preisen die Rede ist, wird auch schnell klar, wer die eigentlichen Profiteure dieser High-Tech-Materialschlachten sind, nämlich die Hersteller. Und den Waffennachschub für die Luftwaffen von Briten, Amis oder Deutschen im Kosovo- Krieg liefern vor allem vier US-Firmen: Lockheed Martin, Boeing, Northrop Grumman und Raytheon. Wenn einer der schweren B-52-Bomber Cruise-Missiles abwirft, wenn ihm F-15 „Eagle“- Jagdflugzeuge als Eskorte den Weg freihalten, so bleibt die gesamte Tour in den Händen von Boeing/McDonnell Douglas. Wenn hingegen der kleine Tarnkappenbomber F-117 A abstürzt oder andere Kampfjets zum Einsatz kommen, sind Lockheed und Northrop im Spiel. Die Aktien dieser Konzerne stiegen jedoch seit Ausbruch des Konfliktes nicht. Dafür wurden von den Serben wohl zu wenig Flugzeuge abgeschossen.

Stärker war der Effekt auf den Vierten im Bunde, den Elektronikspezialisten Raytheon mit seinen Töchtern Hughes und Texas Instruments Defense. Sowohl die satellitengesteuerte JSAW Distanzwaffe und die von der Navy spektakulär in Szene gesetzten Tomahawk-Cruis-Missiles kommen aus den streng geheimen Hallen von Raytheon. Auch die angeblich sehr effektiven Radarkiller-Raketen HARM der deutschen ECR- Tornados werden für 200.000 Dollar pro Stück von Texas Instruments geliefert.

Daß die Anleger etwas zögerlich mit Rüstungsaktien bleiben, hat vielleicht auch mit Nachschubschwierigkeiten zu tun: Die Air Force hat laut CNN nur noch etwa 100 konventionelle Cruise-Missiles in ihren Bunkern. Der Rest wurde im Irak und in Jugoslawien verballert. Nun muß der US-Senat erst einen Dringlichkeitsantrag der Streitkräfte absegnen. Sie wollen 51,5 Millionen Dollar extra, damit Boeing weitere 92 Kalter-Krieg- Marschflugkörper von einem atomaren auf einen konventionellen Sprengkopf umrüsten kann. Die Navy will ebenfalls 113 Millionen Dollar. Damit sollen 324 ihrer 2.500 Tomahawk-Cruise-Missiles aufgerüstet werden. Bei den bisherigen Versionen liegt die Wirksamkeit auf Bunkerziele und die Treffergenauigkeit noch zu niedrig – immerhin waren auch sie in den 70er Jahren als Träger von Atomwaffen konzipiert und nicht als Propaganda-High-Tech-Instrument für die Militärs. Reiner Metzger

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