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„Das sind alles arme Teufel“

■ Die ersten Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo kommen in Deutschland an – illegal eingereist

Die ersten Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo sind da. Die Polizei im nordhessischen Sontra griff am Dienstag früh Männer, Frauen und Kinder auf, die sich in einem Waldstück an der Bundesstraße 27 versteckt hatten. Die Flüchtlinge waren am vergangenen Freitag in Priština von Schleppern in drei Kleinlastwagen „verladen“ worden, so ein Polizeisprecher in der Kreisstadt Eschwege.

Acht Stunden später im hessischen Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Schwalbach. Die illegal eingereisten Kosovaren wollen jetzt Asylanträge stellen. Nun sitzen sie in kleinen Gruppen im großen Saal im Haus 12, einem barackenähnlichen Flachbau der Einrichtung in einem tristen Industriegebiet. Müde sehen sie aus. „Keine Fotos, keine Filmaufnahmen“, sagt ein junger Mann, der gut Deutsch spricht. Er ist ein Verwandter der Eheleute Z., lebt schon seit 1991 in Deutschland. Das war noch zu erfahren. Die schon ältere Frau hält ein Kleinkind auf dem Arm. Der Enkel? Die Enkelin? Sie schweigt. Der Verwandte sagt auch nichts mehr. Verhärmt sehen die beiden aus. Ärmlich die Kleidung, die Schuhe verschlissen.

Was hätten sie bezahlen müssen für die Passage nach Deutschland, werden sie noch gefragt. Der junge Mann im modischen Pullover, den schwarzen Jeans und dem Gel im Haar tuschelt mit den beiden Alten. Exakt 12.000 Mark hätte die Familie an die Schlepper bezahlten müssen, sagt er. „4.000 Mark pro Kopf.“ Viel Geld für einen Kleinbauern aus dem Kosovo. Von Deutschland aus sei das Geld für die Flucht gekommen.

Dann sagt er, daß er „überhaupt nichts mehr sagen“ wolle. Wir Journalisten sollten „weggehen“. Mit anderen Flüchtlingsfamilien ist überhaupt nicht zu reden; es mangelt an Dolmetschern. Die würden bei den Einzelbefragungen gebraucht, berichtet ein Mitarbeiter der Einrichtung.

Eine alte Frau mit weißen Kopftuch hält die Hand auf. Der junge Verwandete der Familie Z. kommt herbei und setzt sich demonstrativ neben sie. Ein stummes Angebot für ein Interview gegen Geld? Etwas zu bezahlen, dazu ist kein Kollege bereit. Einer vom Fernsehen versucht es noch einmal „bargeldlos“. Wie sie von Priština aus nach Deutschland gekommen seien, will er wissen. Über Bulgarien und Rumänien? Über Montenegro und Bosnien? Der junge Mann übersetzt. Die Frau schüttelt den Kopf. Peinliche Funkstille.

Die Polizei hatte nach der Erstvernehmung erklärt, über die „Reiseroute“ sei nichts zu erfahren gewesen. Während ihrer Flucht hätten die Kosovaren die Fahrzeuge nur nachts kurz verlassen dürfen: „Die wußten nie, wo sie gerade waren.“ Von den Schleppern fehlt jede Spur. Bei Sontra sollten die Flüchtlinge offenbar von Verwandten abgeholt werden. Alle Flüchtlinge, so der Polizeisprecher, hätten „jugoslawische Pässe“ dabeigehabt und nur die notwendigsten persönlichen Dinge. „Das sind alles arme Teufel.“

Ob er mit seinem Pkw in Sontra gewesen sei, um die Familie Z. abzuholen? Der junge Mann im Lager Schwalbach reagiert sauer. Er dreht den Journalisten den Rücken zu. Die Teams packen die Kameras ein. Ein Asylbewerber aus Eritrea möchte gerne etwas erzählen. Kein Interesse. Klaus-Peter Klingelschmitt,

Schwalbach

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