: Von der Kanzel stöhnt es
■ Rettenswertes Brauchtum / Heute: Risus pascalis, das Osterlachen mit Witzen „aus dem Küchenmilieu“ und der „Nachahmung eines Mannes, der sich selbst befriedigt“
Benutzt eigentlich noch irgend jemand Fastendosen? Gibt es noch Leute, die während der Fastenzeit wirklich keinen Kuchen essen? In der Karwoche kein einziges Stück Fleisch? Die Karfreitag absolut nur Flüssiges zu sich nehmen? Nein? Schon gar nicht in Bremen? Aha! Darum gibt es hier und heute und erst recht zu Ostern auch nichts mehr zu lachen. Denn das richtige, das wilde, das explosive Lachen gibt es nicht geschenkt. Dazu braucht es vorher Jammer, Kummer und Kasteiung.
Es war einmal eine Zeit – die Fastenzeit war noch Leidenszeit – da gab es zu Ostern das Osterlachen. Nicht irgendwo im Wirtshaus oder in der Küche – in der Kirche! Das kirchliche Osterlachen war jahrhundertelang fester Bestandteil des Osterbrauchtums und hieß offiziell risus pascalis. Vom pestreichen Mittelalter übers Barock bis weit ins letzte Jahrhundert war das Osterlachen Teil der Osterliturgie, und zwar je oller je doller.
Die Spätformen waren eher harmlose Späße namens „Ostermärlein“. Doch bis ins 16. Jahrhundert standen dem Klerus spaßsteigernde Mittel zur Verfügung, die selbst die Witzmaschinen von SAT 1 und RTL erblassen lassen würden. Und die immer schon mit aller Vehemenz von Protestanten und verknöcherten Aufklärern bekämpft wurden.
Die christliche Brauchtumsforschung kennt einen gewissen Johannes Hausschein, genannt Oecolampadios (der später – aha! – evangelisch wurde). Oecolampadios war Priester und ein bekannter Miesepeter, der sich weigerte, üble Witze „aus dem Küchenmilieu“ zu erzählen.
Von ihm ging die Rede, er halte nichts davon, seine Zuhörer „zu lautem Lachen anzutreiben, während er Christus verkündet.“ Er scherze „weder mit schlüpfrigen Worten, noch ruft er durch Nachahmung eines Mannes, der sich selbst befriedigt, wie ein Possenreißer die Dinge vor Augen, die die Eheleute in ihrer Kammer und ohne Zeugen zu tun pflegen.“
Die Mehrheit der lustigen Prediger aber, so berichtet jener Oecolampadios empört, „schrie immer Kuckuck. Legte sich auf Rindermist, man tat, als sei man im Begriff, ein Kalb zu gebären. Wieder einer zog einem Laien eine Mönchskutte an, machte ihm dann vor, er sei nun Priester und führte ihn zum Altare. Wieder einer erzählte, mit welchen Mitteln der Apostel Petrus die Wirte um die Zeche betrogen.“ Die schlimmsten, „noch obszöneren Dinge“ verschwieg uns Oecolampadios leider schamhaft.
Welch herrliche Zeiten, da die meisten Leute glaubten, daß man den auferstandenen Herrn mit Possen zu empfangen habe. Daß Lachen ein Zeichen von Erlösung sei. Nebenbei war der große Osterspaß wohl auch ein Marketinginstrument, um die offenbar auch am Fest leere Kirche zu füllen.
Der derbe Osterspaß fand seine Kulturform in den Ostermärlein, oft heitere und kurzweilige Gedichte, die des Zuhörers Herz öffnen sollten für das Eigentliche, das Wort Gottes. Doch auch die Ostermärlein, niemals ganz rein, wurden schließlich unterdrückt, wie 1853 durch einem Regensburger Erlaß, der mahnte, es solle in Predigten weder auf Gereimtes noch auf Fabeln oder „Obscures“ eingegangen werden.
Und so verschwand – ein Restosterlachen wurde noch 1911 in der Steiermark nachgewiesen – dieser schöne Osterbrauch. Er lebt erst wieder auf, wenn Harald Schmidt Priester wird. Katholisch ist er schon.
BuS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen