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Die neue Kirche am Ku'damm

Es ist der Centerpark unter den Giga-Sportgeschäften und ein Tempel der schönsten Firmenheiligtümer: Berlins „Niketown“ ist das erste Verkaufshaus, das der Sportartikel-Multi außerhalb der USA eröffnete  ■ Von Heike Blümner

Von wegen „Just do it“. Der neue Laden in Charlottenburg gehört zu der Spezies „Megastore“, für die diese Klassifizierung schon jetzt nicht mehr reicht. Deswegen heißt die Tauentzienstraße7 jetzt „Niketown“, und das blanke Glas- und-Stahl-Gebäude wirkt in der Umgebung von KaDeWe, Peek & Cloppenburg und dem Designerlampengeschäft gegenüber ganz selbstverständlich. Eher modisch als modern, ein wenig protzig, aber trotzdem schnörkellos, fügt es sich ganz harmonisch in das Westberliner Cityshopping-Ambiente, wie es in Reiseführern versprochen wird.

Dabei soll „Niketown“ eigentlich etwas ganz Besonderes sein. In „Niketown“ kann man ab heute alles kaufen, was der Sportkonzern mit dem Häkchen als Logo im Angebot hat. Alles. Das ist verdammt viel, aber noch nicht genug für eine Firma, die mit jedem Turnschuh ein Quentchen lässigen Siegertypus mit verkauft, weswegen auch unsportliche Urbanisten mindestens ein Paar davon zu Hause haben. Passend dazu ist „Niketown“ der Centerpark unter den Giga- Sportgeschäften, denn hier wird von der Innenarchitektur bis zur Kassiererin Sportlichkeit simuliert und propagiert.

Um das Ereignis „Ereignisshopping“ richtig öffentlichwirksam anzukündigen, wurde Mitte letzter Woche, wie das in solchen Fällen üblich ist, der Laden für einen Abend erst einmal für die Öffentlichkeit geschlossen und nur für Pressevertreter und geladene Gäste geöffnet.

Eine orientierungslose Masse schob sich durch die einzelnen Abteilungen auf zwei Etagen. Nicht nur weil „Niketown“ aus zahlreichen verwinkelten und verborgenen Unterverkaufsabteilungen wie „Damen-Tennis“, „Kinderbekleidung“ oder „Fußball“ besteht, sondern auch weil es kein eindeutig gekennzeichnetes Buffet gab. So ließ sich praktischerweise die Suche nach ebenjenem Buffet mit interessierten, weitschweifenden Blicken perfekt als architektonisches Interesse tarnen.

Doch es lohnte sich ohnehin, genauer hinzuschauen. „Niketown“ von innen sieht aus, wie man sich in den achtziger Jahren die neunziger Jahre vorgestellt hat: Holzböden und in „positiven“, warmen Farben gehaltene Wände, aber ansonsten Glas und Stahl und Glas und Stahl. Ein bißchen viel davon, so, als hätte sich der Architekt etwas zu lange auf dem Münchener Franz-Josef-Strauß-Flughafen rumgetrieben.

Aber postmoderner Schnickschnack hin oder her: Das Berliner „Niketown“ beweist, daß es sich bei Nike eben nicht nur um eine Sportbekleidungsfirma handelt sondern um eine voll amimäßige, religiös umflorte Produktpalette. Das „Niketown“-Gebäude ist die neue Kirche am Ku'damm. In der Mitte befindet sich das Kirchenschiff, an dessen Ende eine Videoleinwand hängt, eine kleine holzgetäfelte Kapelle, wo jedem der fünf firmenheiligen Hauptwerbeträger ein kleiner Altar gewidmet ist und wo leise Radioübertragungen ihrer Höchstleistungen laufen.

Michael Jordan hatte sein Kommen zwar abgesagt, dafür war aber Carl Lewis gekommen, der in einer anderen Ecke von „Niketown“ seinen Andachtsort hat. Und so saß er unter der Videoleinwand und ließ sich vom braungelockten Moderator interviewen. „Berlin is great and the people are great and I'm having a good time.“ Auf den Seitenrängen tummelte sich derweil das geladene Publikum, das die sieben Millionen Turnschuhe und Trikots mit vom Fingerfood-Buffet fettigen Händen betatschte.

Zurück zur Religion: Ob zur Erinnerung oder zum Ansporn – „Niketown“ ist von produktimmanenten Sinnsprüchen überzogen, die, quer durch das Gebäude verteilt, an den Wänden stehen: „Die Zukunft des Sports liegt in den Herzen und Seelen der jungen Athleten.“ Oder: „Die Zukunft hat begonnnen. Schnelligkeit. Jugend. Geschicklichkeit. Begierde.“ Oder: „Ein falscher Schritt, und es ist ein langer Weg nach unten.“ Eben.

Dem Bausenator Jürgen Kleemann wird von oben Sekt auf den Kopf geschüttet. Aber egal. „Denn die Welt weiß, was Du erreichen kannst. Und Du?“ Ein bißchen Fun-Kapitalismus im Multikulti- Gewand dürfte ja wohl drin sein. Auch wenn die NBA-Klone von der Modelagentur kamen.

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