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Der Z-Movie-Zar

Kein Geld, viel Film: Marathonmann Andreas „The Schlitzer“ Schnaas hat „Anthroprophagous 2000“ gedreht  ■ Von Oliver Rohlf

An Andreas Schnaas heranzukommen, ist gar nicht so einfach. Kein Eintrag ins Telefonbuch, null info über die Auskunft, und die alten Seilschaften des einzigen namhaften Hamburger Splatter-Filmers zur ehemaligen Horror-Movie-Spelunke „Hard-To-Get-Videos“ wollen auch nicht so ohne weiteres greifen. Da wird zunächst nur eine E-Mail-Adresse herausgerückt. Ist Andreas Schnaas etwa ein Star mit Postfach und Geheimnummer? Als dann nach erfolgreicher Faxvermittlung durch Dritte doch noch ein Interview mit dem hanseatischen Z-Movie-Zaren zustandekommt, bewahrheitet sich noch einmal die alte Erkenntnis, daß die kleinen Horrorfilmemacher von nebenan zu den freundlichsten Menschen überhaupt zählen. Filmisch hart, innen nett.

„Naja“, grient es aus dem großen Rellinger heraus, „das hat den Grund darin, daß immer, wenn ich einen Film am Start habe, nachts Fans, die gerade am Partymachen sind, bei uns angerufen haben, um zu sagen, wie geil oder scheiße sie die Filme finden. Irgendwann nervt das.“

Schnaas weiß um seine regionale Prominenz. Schließlich doktert der Mann schon seit Teenager-Zeiten an diesen „Wald-und Wiesen“-Slashern herum. Stichwort Zombie 90 oder Violent Shit. Und irgendwo sollen in ganz dunklen Ecken auch noch jugendliche Machwerke wie Gejagt! und Blutiger Vollmond auf ihre Entdeckung warten. Jedenfalls wären angesichts der zahlreichen Arbeiten, die Schnaas in nächster Zukunft veröffentlichen wird, erneute Wellen von Telefon-Terror nicht auszuschließen.

Vergangene Woche hatte der dritte Teil seiner Violent Shit-Saga um den Beilmörder Karl, The Butcher Jr. Premiere. Spaß meets Splatter, „eine Komödie“, wie Schnaas sein blutiges Pulp-Baby umschreibt. Am Freitag erblickt Anthroprophagous 2000 das Licht der Kinoleinwand. Ein 1-A-Video-Remake von Joe D'Amatos Menschenfresser-Reißer, diesmal mit besserer Musik und „richtigen“ Schauspielern. Darauf legt der Wochenend-Filmer wert. Unter anderem sind Andreas Stoeck aus Müllers Büro und Mobbing Girl Oliver Sauer mit von der Partie. Gedreht wurde zehn Tage lang in der Toskana, und überhaupt strebt der 31jährige ein wachsendes Maß an Professionalität an. Trotzdem sei Anthro sein bislang billigster Film geworden. „Billig“ meint kostengünstig und umkreist einen Etat von weniger als 50.000 Mark.

Produziert wurde das ganze von Ehefrau Sonja, denn die Zeiten, in denen Andreas Schnaas gemeinsam mit Hard-To-Get-Betreiber Steve Aquilina als „Reel Gore-Productions“-Team durch den norddeutschen Horror-Hades watete, sind schon lange vorbei und die Rechte einseitig an die Borgfelder Filmfreaks abgetreten. Die gemütliche Fan-und-Fantasy-Achse Berlin-Hamburg-München von 1990 gibt es nicht mehr.

Das weiß auch Schnaas, deshalb liegt sein einziges Sinnen im „Machen“: „Nicht jammern, weil Du nur 2000 Mark zur Verfügung hast, sondern losgehen! Ich will drehen!“ Und da die Wahrscheinlichkeit, für derartig spezifische Epen öffentliche Gelder zu erhalten, relativ gering ist, hat sich der Selfmade-man alternative Förderquellen erschlossen. Die neuen Partner sitzen in der Rappstraße im Hamburger Univiertel. Dort wirken der Fantasy-Discount „Venal Virulent“ nebst dem Ausstatter für Freizeit-Friedhöfe „House Of Horror“ quasi Tür an Tür als Szene-Treff, Kartenvorverkaufsstelle und Ideengeber für neue filmische Arbeiten am menschlichen Körper. Eine Kooperation, die schon diesen Sommer Früchte tragen wird: Dann nämlich wird Der Kelch – Gobbit Of Gore die Video-Welt im roten Naß ertränken.

Den ganz großen Wurf aber will Schnaas, The Schlitzer zur Jahrtausendwende landen: „Holländische Geldgeber“ seien an ihn herangetreten, den „härtesten Film aller Zeiten zu drehen“. Das haben vor ihm zwar schon andere, aber der Horror-Marathonmann ist da ganz zuversichtlich. Nur soviel will er verraten: „Alles ist ernst. Es geht um vier Menschen, eine Erbschaft, ein rätselhaftes Medikament und um Blut. Viel Blut.“ Und wie er so dasitzt und die schmalen Augen funkeln läßt, könnte man fast glauben, daß der (Alp-)Traum von der unendlichen Steigerung doch noch nicht ausgeträumt ist.

„Anthroprophagous 2000“ wird am Freitag (22.30) im Fama als Uraufführung gezeigt.

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