: „Historische Fehlplanung“ zum Großmarkt
■ Der Industrie-Makler Hahm hat harte Kritik an den Plänen, mit neue Hallen für den Großmarkt die alten Hafenreviere zu verbauen, formuliert und staatliche Subventionen angegriffen
Eine „klassische, historische Fehlplanung“ sei es, den Bremer Großmarkt mit erheblichen staatlichen Subventionen in die Mitte der alten Hafenreviere zu verlagern. Zu dieser Feststellung kommt der Gewerbe-Makler und Industrie-Berater Henrik H. Hahm, der seit Jahrzehnten eine renommierte Beratungsfirma mit Sitz in Berlin und Bremen führt. Er war auch eingeladen, als am 2. März die „Visionen für das nächste Jahrtausend“ für die alten Hafenreviere vorgestellt wurden. Als dann die Bremer Handelskammer in einer Stellungnahme „jegliche Art von Wohnbebauung als realitätsfern“ bezeichnete und damit mit einem Federstrich die gesamte Stadtentwicklungs-Debatte vom Tisch wischte, griff Hahm zur Feder und schieb unter dem Datum des 1. April einen bösen Brief an den Bremer Bausenator.
„Mir ist aufgefallen, daß die Bietergemeinschaften allesamt die Planung des Großmarktes an der vorgesehenen Stelle ablehnen, obwohl sie diese Planung in ihrem Konzept berücksichtigen mußten“, stellt Hahm fest. Er teilt die Ablehnung aus zwei Gründen: „Ein derartiges Gebäude würde immer wie ein Block zwischen der Altstadt und der neuen, urbanen Ansiedlung und Entwicklung“ stehen.
Hahm nennt einen zweiten Grund für seine Kritik: „Offenbar ist im Zusammenhang mit der Planung des neuen Großmarktes nicht untersucht worden, wie sich diese Einrichtungen in Zukunft weiterentwickeln werden“. In den USA und in Kannada seien die sogenannten Großmärkte längst „in Auflösung“. Durch die Möglichkeiten der Datenübermittlung würden sich dort ganz andere Verkaufsstrategien entwickeln: „Die Großmärkte werden durch sog. Supply-Centers oder Delivery-Marktes ersetzt“. Im Klartext: Den Kunden wird die Ware zu dem gewünschten Termin geliefert. „Die Holländer machen es uns mit ihren Blumen schon seit langem vor“, der Geschäftskunde nimmt die Dienstleistung in Empfang, „aber er wird sich nicht mehr zu den jeweiligen Großmärkten begeben“.
Auch wenn die derzeitigen Großmarkt-Beschicker das nicht wahrhaben wollen – diese Entwicklung werde zwangsläufig auch bei uns so kommen. Wer also heute einen Großmarkt neu baue, der müsse überlegen, wie das Gebäude danach genutzt werden kann. Eine große Halle an einer Autobahn-Auffahrt, wie es die Großmarkt-Händler selbst wollen, wäre zum Beispiel für eine Spedition zu nutzen. Wenn aber für die alten Hafenreviere „Visionen“ debattiert werden sollten, dann müsse es eine Korrektur des Großmarkt-Umzugsbeschlusses her, auch wenn das jetzt eine „unbequeme Entscheidung“ sei, schließt Hahm.
Im wesentlichen wird die Einschätzuung über die Perspektive des Großmarktes von dem wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU, Wolfgang Schrörs, geteilt. Schrörs hat ein Lebensmittel-Handelsgeschäft, ist also „vom Fach“. Seiner Einschätzung nach wird der Großmarkt zwar nicht ganz überflüssig, aber doch in seiner Funktion reduziert auf kleinere Mengen und Handels-Nischen. Heute schon spielen spezifische Handelsströme wie zum Beispiel Öko-Produkte oder türkische Warenhändler mit ihrer Produktpalette auf dem Großmarkt eine wichtige Rolle.
Der Bausenator wird Schwierigkeiten haben, auf die Kritik an der Großmarkt-Planung zu antworten: Seine fachkundige Staaträtin Ursula Luther hatte sich bis zuletzt intern heftig gegen diese „historische Fehlplanung“ gewehrt. K.W.
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