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Der 1. Mai kehrt zurück nach Kreuzberg

■  Die Polizei bereitet sich auf die alljährlichen Mai-Krawalle in Prenzlauer Berg vor, obwohl dort dieses Jahr gar keine Demonstration stattfinden soll. Die „revolutionäre 1.-Mai-Demo“ ist wieder für den Oranienplatz angekündigt

Die Polizei schaltet extra eine Info-Hotline, die für den Prenzlauer Berg zuständige Polizeidirektion 7 gründet eine Arbeitsgruppe zur sicherheitstechnischen Vorbereitung des 1. Mai, in der Gaststätte „Wabe“ in der Danziger Straße ist dazu ein Mai-Talk geplant, und außerdem wollen sich die Sicherheitsexperten im Bezirksamt Prenzlauer Berg auch noch zu einem Seminar zum Thema treffen. Nur – die „revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ findet in diesem Jahr gar nicht in Prenzlauer Berg statt.

Nachdem sich im vergangenen Jahr nach der alljährlichen Demonstration“ DemonstrantInnen und die Polizei stundenlange Straßenschlachten in Prenzlauer Berg geliefert hatten, will die Polizei in diesem Jahr besser vorbereitet sein und die befürchtete Randale in Prenzlauer Berg verhindern. Daß die große Demonstration in diesem Jahr jedoch wieder nach Kreuzberg wandert, war der Polizei gestern noch nicht bekannt. Eine Anmeldung lag auch nicht vor.

Dabei kleben schon in der gesamten Stadt die Plakate zur alljährlichen Großdemonstration linksradikaler Gruppen. Geklebt wird in Mitte, in Prenzlauer Berg, in Pankow, in Neukölln, im Wedding und in Kreuzberg. Doch marschiert werden soll, das zumindest kündigen die Plakate an, in Kreuzberg. 18 Uhr Oranienplatz heißt es da. Und eine „gemeinsame revolutionäre 1.-Mai-Vorbereitung“ verrät in ihrer neuesten Presseerklärung die Route: Oranienplatz, Oranienstraße, Wiener Straße, Ohlauer Straße bis zum Endpunkt Zikkenplatz (Hohenstaufenplatz). Bis auf einen Abstecher durch das nördliche Neukölln liegt das alles eindeutig im Bezirk Kreuzberg.

Nach mehreren Jahren der Demonstrationen in den östlichen Bezirken kehrt der autonome 1. Mai dieses Jahr also wieder dorthin zurück, wo alles 1987 einmal angefangen hatte. Zur Erklärung heißt es in einem weiteren Aufruf dazu: „Der Oranienplatz wurde als Auftaktkundgebungsort gewählt, weil Kreuzberg und Neukölln Berliner Stadtteile sind, in denen die Widersprüche des kapitalistischen Systems mit am deutlichsten zu Tage treten – aber auch der revolutionäre Kampf dagegen eine lange Tradition hat.“

Doch die politische Situation hat sich geändert, deshalb nimmt der linksradikale 1. Mai auch nicht alle Traditionen wieder auf. Ende der 80er und Anfang der 90 Jahre noch hieß es: „13 Uhr O-Platz“. Angesichts wiederholt organisierter Nazi-Aufmärsche am 1. Mai indes will man sich in diesem Jahr wie schon 1998 erst um 18 Uhr versammeln, um tagsüber mobil zu sein. „Wenn nötig, wollen wir gewährleisten, daß ein am 1. Mai in der Region stattfindender Nazi-Aufmarsch angegriffen oder verhindert werden kann“, erklären die AufruferInnen zu der Demonstration den späten Zeitpunkt. Am 1. Mai ist darüber hinaus ein Aufmarsch von Rechtsextremisten in der Hansestadt Bremen geplant. Insbesondere antifaschistische Gruppen innerhalb der linksradikalen Szene Berlins planen, an diesem Tag zu Gegenkundgebungen nach Bremen zu fahren.

Die „revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ fordert unter anderem die Freiheit für PKK-Führer Öcalan und einen Stopp der Nato-Angriffe. Neben dieser Demo finden noch weitere 1.-Mai-Veranstaltungen statt: Noch eine kleinere linksradikale Demonstration ausländischer Gruppen, die um 13 Uhr am Oranienplatz angemeldet ist; ab 12 Uhr feiern außerdem die Obdachloseninititiven ein Fest auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte, und die Gewerkschaften marschieren in mehreren Zügen zum Roten Rathaus. Von Rechtsextremen, die in den vergangenen Jahren immer wieder versucht hatten, den 1. Mai auch in Berlin umzufunktionalisieren, liegt (noch) keine Anmeldung für eine Demonstration oder Kundgebung vor. Barbara Junge

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