: Töppen werden wieder geschnürt
Die Streikfront der jugoslawischen Fußballspieler gegen die Nato-Bombardements bröckelt weiter, nur Real Madrids Stürmer Mijatovic mag nicht klein beigeben ■ Von Matti Lieske
Berlin (taz) – Ganz so weit wie sein Landsmann Vladan Lukic vom FC Metz, der sich nach Jugoslawien aufmachte, um dort, wie er sagte, für sein Land zu kämpfen, wollte Predrag Mijatovic nicht gehen. Sein Auftritt bei einer Demonstration vor der US-Botschaft in Madrid, wo der Stürmer von Real Madrid eine jugoslawische Fahne vor sich hertrug, genügte jedoch, seinen Verein davon zu überzeugen, daß Mijatovic' Motive nicht so harmlos sind, wie es zunächst scheinen wollte. Rund 60.000 Mark Strafe muß der Torjäger aus Montenegro nun dafür zahlen, daß er am Wochenende seinen Einsatz im Spiel gegen Deportivo Alaves verweigerte.
Als zahlreiche jugoslawische Fußballer nach Beginn der Nato- Bombardements ankündigten, daß sie psychisch nicht in der Lage seien, dem Ball nachzujagen, wurde ihnen zunächst allenthalben Verständnis entgegengebracht. Der Ton wurde jedoch härter, als die Nationalspieler Mijatovic, Stojkovic und Savicevic der Sache mit ihrer Initiative eines konzertierten „Streiks der fallengelassenen Töppen“ (El Pais) einen demonstrativen Anstrich verliehen. Der jugoslawische Fußballverband machte die Sache zur offiziellen Politik, indem er die Forderung übernahm und die in Nato-Staaten beschäftigten Profis dazu aufrief, nicht für ihre Vereine zu spielen, solange die Bombardements dauern.
„Es ist kein Boykott“, versuchte Aleksandr Djordjevic, Basketballer beim FC Barcelona, die Sache zu entschärfen, wir können nur in unserem seelischen Zustand unseren Mannschaften nicht helfen.“ Eine Interpretation, die angesichts der Äußerungen etlicher jugoslawischer Sportler schwer aufrechzuerhalten war. Von einer „durch nichts verursachten Nato-Aggression gegen Jugoslawien“ war in einem von vielen Olympiasiegern und Weltmeistern unterzeichneten Aufruf die Rede; „Amerikaner und Albaner wollen etwas, das ihnen nicht gehört“, ließ der Basketballer Predrag Danilovic aus Bologna verlauten; Mijatovic erinnerte etwas wirr daran, daß die USA nicht einmal existiert hätten, „als es während des ottomanischen Reichs vor 600 Jahren Krieg im Kosovo gab“, und der aus Serbien stammende US-Nationalspieler Preki fragte, was die USA wohl tun würden, „wenn Miami plötzlich kubanisch werden wolle“. Sehr wenige, die sich so weit aus dem Fenster hängten, verschwendeten einen Gedanken an die Vorgänge im Kosovo.
Sinisa Mihajlovic von Lazio Rom, der die Idee eines Streiks von vornherein als „Unsinn“ abgetan hatte, erklärte immerhin auf Nachfrage, daß er gleichermaßen mit den Menschen in Belgrad und im Kosovo leide. Der Nationalspieler, der in einem Interview auch schon mal den Kriegsverbrecher und Fußballfreund Arkan als „gar nicht so schlimm“ verteidigt hatte, setzte auf eine andere Strategie und versuchte in einem Gespräch mit italienischen Regierungsvertretern auf quasi diplomatischem Weg zur Beendigung des Krieges beizutragen. Da in Italien wie in Deutschland das Tragen eines Trauerflors von den Verbänden untersagt wurde, präsentierte Mihajlovic beim Spiel gegen den AC Mailand ein T-Shirt mit dem Slogan „Peace no war“ – eine Protestform, die weltweit viele jugoslawische Kicker wählten.
Weniger Sympathie fand der Boykottaufruf. In Italien wurde er kaum befolgt, in der Bundesliga setzten acht Spieler aus, und in Spanien reduzierte sich die Zahl schließlich auf sechs. Vier von diesen haben bereits erklärt, am kommenden Wochenende wieder antreten zu wollen, nur der aus dem Kosovo stammende Serbe Djorovic von Celta Vigo zaudert noch. Und natürlich Predrag Mijatovic, dem Real Madrid für den Fall eines erneuten Fehlens mit dem Rauswurf gedroht hat.
Während die Streikfront rapide zusammenbricht, mehren sich Stimmen, die einen Boykott des jugoslawischen Sports fordern, wie es ihn schon 1992 gab. Bislang steht der Volleyballverband, der Jugoslawien aus der Weltliga ausschloß, jedoch allein, die anderen großen Sportorganisationen sind nicht gewillt, ohne Mandat einer internationalen Institution politisch einzugreifen. 1992 hatte der UN-Sicherheitsrat ausdrücklich den Sportboykott gefordert. Auch damals eine umstrittene Sache, da, so hieß es, etwa die mit Serben, Kroaten, Makedoniern und Bosniern besetzte Fußball-Nationalmannschaft bei der EM 1992 gerade ein Beispiel für Völkerverständigung hätte sein können. Wie brüchig solche Hoffnungen sind, hatte 1990 die Basketball-WM gezeigt, als nach Jugoslawiens Titelgewinn die Kroaten Kukoc, Radja und Petrovic zum Entsetzen des Serben Vlade Divac mit dem kroatischen Fähnchen durch die Arena tobten.
Divac im übrigen spielt derzeit Basketball für die Sacramento Kings. Am Dienstag holte der Center, der seine Familie in Belgrad und albanische Freunde im Kosovo hat, beim 112:106 gegen Seattle 11 Punkte, 10 Assists und 14 Rebounds. „Ich habe keine Energie, ich fühle mich schlecht, aber ich spiele gut“, staunte Divac und beließ es ansonsten bei einem einfachen Statement: „Krieg löst nie ein Problem.“
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