: Visum für die Heimatstadt
Schüler und Lehrer legen Unterricht lahm, um gegen drohende Abschiebung einer Fünftkläßlerin zu protestieren ■ Von Christoph Ruf
Mit einem Aktionstag haben gestern SchülerInnen und LehrerInnen der Gesamtschule Friedrichstraße auf St. Pauli gegen die drohende Abschiebung ihrer Mitschülerin Basak Coklar protestiert. Geht es nach der Hamburger Ausländerbehörde, soll die Fünftkläßlerin spätestens am 19. April im Flugzeug nach Istanbul sitzen. Dort aber wartet niemand auf sie: Ihr Vater ist seit fünf Jahren verschollen, die Mutter hat psychische Probleme und kümmert sich seit Jahren nicht mehr um ihre Tochter. Basak ist in Hamburg geboren und lebt hier bei ihren Großeltern, die sie mit „Mama“ und „Papa“ anredet.
Daß die 12jährige trotzdem ausreisen soll, versteht in ihrer Schule niemand. „Sie ist doch eine gute Schülerin. Und Schaden kann sie Deutschland ja wohl nicht bringen.“, wundert sich Schulsprecherin Alisa Smaljovic, die den gestrigen Aktionstag mitorganisiert hat. Den halben Vormittag lang fiel der Unterricht für alle Klassen aus; statt dessen hielten KlassensprecherInnen kurze Reden, tanzten und diskutierten mit LehrerInnen und anderen Jugendlichen. „Basak muß bleiben“, lautete die einhellige Forderung.
Über die Rechtslage sind inzwischen nahezu alle SchülerInnen gut informiert: Basaks Aufenthalt scheitert am sogenannten Kindervisum, das ausländische Jugendliche in Deutschland seit 1997 benötigen. Das Visum wird nur erteilt, wenn mindestens ein Elternteil in der Bundesrepublik lebt oder andere Verwandte das Sorgerecht haben. Basaks Eltern jedoch sind in der Türkei. Das Sorgerecht hat ihr Vater, der 1990 wegen Drogendelikten aus Deutschland ausgewiesen wurde. Seine Tochter nahm er damals mit.
Als die Großeltern fünf Jahre später während eines Türkei-Urlaubs ihre Enkeltochter unterernährt und verwahrlost vorfanden, nahmen sie Basak mit zurück nach Hamburg. Doch die alten Leute versäumten es, bei der deutschen Botschaft in Istanbul die Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Das holten sie erst Ende 1997 in Hamburg nach. Diesen verspäteten Antrag lehnte die Ausländerbehörde in der Hansestadt im Juli letzten Jahres ab.
„Wenn sie den Antrag in den ersten drei Monaten gestellt hätten, hätte das Amt vielleicht ein Auge zugedrückt“, vermutet der Paul Siems, Physiklehrer an der Schule Friedrichstraße.
Die Anwältinnen der Großeltern haben einen letzten Versuch gestartet, Basaks Abschiebung zu verhindern. Sie reichten eine Petition beim Eingabenausschuß der Bürgerschaft ein. Der will am Montag darüber beraten. Bisher hatte das Gremium eine Entscheidung stets vertagt und darauf hingewiesen, daß in Bonn demnächst ein moderneres Ausländerrecht verabschiedet werde.
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