Grüne für befristete Waffenruhe

■  Landesausschuß beschließt moderate Resolution zum Balkan-Krieg. Überraschende Mehrheit für Franziska Eichstädt-Bohligs Antrag, die zum realpolitischen Flügel zählt

Himmelweit voneinander entfernt waren die Positionen der Grünen zum Balkan-Krieg am Mittwoch abend nicht mehr. Von der vielbeschworenen Zerreißprobe war nichts mehr zu spüren, die Positionen von Befürwortern und Gegnern der Nato-Einsätze haben sich in den letzten Tagen etwas angenähert. Die Debatte der rund 60 Delegierten des Landesausschusses fiel weitaus sachlicher aus, als noch bei einer kurzfristig einberufenen Diskussion vor einer Woche. Nun ging es darum, aus fünf Anträgen eine Resolution des Landesverbandes zu destillieren.

Der Bruch der rot-grünen Regierungskoalition wurde gleich in drei Anträgen gefordert: „Spätestens wenn ein deutscher Soldat seinen Fuß außerhalb einer von der UNO angeführten Mission auf jugoslawischen Boden setzt, sehen wir die rot-grüne Koalition in Bonn als beendet an“, hieß es im Antrag des Parteilinken Jochen Esser. Noch radikaler fiel ein Antrag der Bezirksgruppe Hohenschönhausen aus, der allerdings schon bei einer neunköpfigen Versammlung am Vorabend keine Mehrheit gefunden hatte. Gefordert wurde, „die MinisterInnen Fischer, Fischer und Trittin aus der Regierung zurückzuziehen, wenn nicht sofort ein Waffenstillstand erreicht wird“. Recht schnell setzte sich in der Versammlung die Erkenntnis durch, daß es falsch sei, die Forderungen zur Beendigung der Nato-Luftangriffe mit der Koalitionsfrage zu verknüpfen. Über ein Ende der Koalition müsse ohnehin ein Sonderparteitag beschließen, hieß es. Doch für viele wäre eine Beendigung der Koalition beim Einsatz von Bodentruppen unvermeidlich. Deren Einsatz lehnen die Grünen mit ganz breiter Übereinstimmung entschieden ab.

Während der zweistündigen Debatte setzte sich überraschend ein Antrag von Peter Lohaus und der Bundestagsabgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig als Leitantrag durch, der sich eng an die Position des grünen Bundesvorstandes anlehnte. Eichstädt-Bohlig, die zum realpolitischen Flügel gehört, war in der vergangenen Woche noch hart kritisiert worden, weil sie im Oktober vergangenen Jahres im Bundestag einem Nato-Einsatz zugestimmt hatte. Ihr Antrag, der in einigen Punkten moderater, aber auch sehr viel durchdachter war, als der knapp gescheiterte Antrag des Landesvorstandes, fordert die Bundesregierung auf, sich für ein befristetes Aussetzen der Nato-Luftangriffe einzusetzen. Jede noch so geringe Gelegenheit für eine Verhandlungslösung müsse genutzt werden.

Mit Genugtuung nahm die Linke zur Kenntnis, daß auch die Befürworter der Nato-Angriffe den Mißerfolg des Militäreinsatzes einräumten. „Wir müssen eingestehen, daß die Nato-Angriffe gescheitert sind“, sagte Peter Lohaus. Dies spiegelte sich auch in dem Antrag wieder. „Es ist der Nato bisher nicht gelungen, die jugoslawischen Einheiten, die Hunderttausende von Flüchtlingen vertreiben, wirksam zu behindern.“ Mit der Resolution, die mit 28 Jastimmen und 18 Gegenstimmen eine deutliche Mehrheit erhielt, könne auch die Linke leben, sagte die Abgeordnete Pia Paust-Lassen. Die Linke hatte einen sofortigen Stopp der Nato-Angriffe favorisiert. Fraktionschefin Michaele Schreyer wertete die Resolution als „Rückenstärkung für Außenminister Joschka Fischer“. Dorothee Winden