Partisanenfilme statt Hollywood

Die Wahrheit, beteuern die serbischen Medien, sei auf der Seite der Serben. Wer sich im Lande informieren will, ist auf diese Wahrheit angewiesen. Alle TV-Sender und Zeitungen sind im Krieg gleichgeschaltet  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Der Moderator im staatlichen serbischen Fernsehen setzte wieder einmal seine erbitterte Miene auf: „Der blutrünstige Nato-Aggressor hat erneut die Raffinerie in Pancevo bombardiert“, begann er gestern mit harter Stimme das tägliche Nachrichtenprogramm. In der regierungsnahen Tageszeitung Politika klingt das kaum anders: „Clintons verbrecherische Killer- Horden“, das „Monstrum des Westens“, die „neonazistischen Generäle“ wollten die Serben ausrotten. Doch man werde vor den „wahnsinnigen, bestialischen Nato-Henkern“ nicht in die Knie gehen. Denn die Wahrheit sei auf der Seite der Serben. Die Wahrheit würde siegen.

Mit der Wahrheit ist es eine schwierige Sache derzeit in Serbien. Die erste Rakete der Nato hat die Opposition in Serbien ausgelöscht. Die Medien wurden ausnahmslos gleichgeschaltet. Da war zum Beispiel das Verbot des kritischen Radiosenders B 92 kurz nach Beginn der Angriffe. Offiziell nicht aus Zensurgründen. Der amtliche Träger des Senders, die Belgrader Stadtverwaltung, hatte einen neuen Chef eingesetzt. Und bei der Abschaltung des Satelliten soll die Sendestärke zu groß gewesen sein.

Offene Zensur gibt es offenbar kaum in Serbien. Zur Gleichschaltung der Medien genügen Maßnahmen, die in der Regel technisch oder administrativ begründet wurden. Mit solchen Begründungen mußten nach Angaben westlicher Journalisten etwa Internetprovider ihre Arbeit einstellen oder ein Übertragungszentrum, das dazu diente, die Bilder westlicher TV- Teams in die Welt hinauszuschicken.

In Serbien selbst ist seit zwei Wochen nur ein Ton zu hören: Das souveräne Jugoslawien ist ohne Kriegserklärung angegriffen worden. Wer anders denkt, ist ein Verräter, der die Verteidigungskraft des Landes schwächt, und unterliegt dem Kriegsgesetz.

Doch kaum jemand, der sich öffentlich artikuliert, denkt anders. Selbst die kritischsten unabhängigen Journalisten haben den Kampf gegen das Regime eingestellt. „Nur solange die schwachsinnige Aggression der Nato andauert“, sagt ein Journalist im Belgrader Medien-Zentrum, dem Treffpunkt der Opposition. Wenn der Krieg einmal beendet sei, würde man untereinander schon abrechnen.

Selbst das Unterhaltungsprogramm in den Fernsehsendern wurde von Hollywood-Produktionen und anderer westlicher Unterhaltung weitgehend gesäubert. Statt dessen laufen auf allen Kanälen alte Partisanenfilme, die an den blutigen Kampf gegen Nazideutschland erinnern. Wenn die SS bei Massenhinrichtungen gezeigt wird, wird sekundenlang das Wort „Nato-Aggressor“ eingeblendet.

Über die Flüchtlingskatastrophe im Kosovo berichten die Medien kaum. Ab und zu wird erwähnt, die Kosovo-Albaner würden massenhaft vor den Luftangriffen der Nato fliehen. Nato-Raketen würden albanische und serbische Dörfer zerstören. Wer keinen Satelliten hat in Serbien, erfährt nichts über die Tragödie der Flüchtlingslager in Makedonien.

Wer Satellitenfernsehen schauen kann, kann immerhin italienische oder türkische Programme sehen. CNN oder BBC World sind auf den in der Regel in Serbien zu empfangenden Satelliten aber nicht vertreten. Vor Beginn der Bombenangriffe wurden einzelne Sendungen dieser Programme noch von jugoslawischen Stationen weiterverbreitet.

Doch Satellitenschüsseln sind in Serbien ohnehin wenig verbreitet – anders als etwa im Kosovo, wo sich selbst arme Bauern oft eine solche Schüssel leisteten, um albanischsprachige Programme zu empfangen. So bietet ausländisches Kurzwellenradio die beste Möglichkeit, Informationen von außerhalb des Medienmonopols zu bekommen. BBC, Radio France International oder die Deutsche Welle haben ihre serbokroatischsprachigen Programme ausgeweitet. Wieviel sie gehört werden, darüber gibt es aber nur Mutmaßungen.

Vertreter der Behörden in Belgrad begründen die Gleichschaltung der serbischen Medien mit einem „erbarmungslosen Medienkrieg“ des Westens gegen Serbien. Gegen den müsse man sich genauso verteidigen wie gegen die Luftangriffe. Und die meisten oppositionellen Journalisten haben dagegen nichts einzuwenden und stellen sich dem „Kampf gegen den Aggressor“ zur Verfügung.

Die Radiosender spielen durchgehend ätherische Musik oder übertragen die Konzerte im Zentrum Belgrads, die täglich unter dem Motto „Mit Liedern gegen Bomben“ organisiert werden. Informationssendungen beschränken sich darauf, die Zerstörungen des „Nato-Aggressors“ in Jugoslawien mit bildhaften Worten aufzuzählen und anzuklagen. Und mit der Anzahl der Raketen und Marschflugkörper steigt auch die Anzahl der zivilen Opfer, die in den staatlichen Medien ausführlich präsentiert werden. Und sie scheinen die beste Propaganda für den Präsidenten.

Ergänzende Informationen: Lutz Meier