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Mit Physis, Intensität und Härte

Sportlich erreichen Europas beste Basketballerinnen bei ihrem Final-Four-Turnier das Niveau der US-Liga WNBA, mit der öffentlichen Resonanz sieht es anders aus  ■ Aus Brünn Ute Berndt

Europas Basketballerinnen können davon nur träumen: Mehr als 10.000 Fans im Schnitt verfolgen im Sommer die Spieler der Kolleginnen im amerikanischen NBA-Ableger WNBA. In den Finalspielen sind es fast doppelt so viele. Beim europäischem Gipfeltreffen diese Woche in Brünn, wo die besten vier Vereinsteams beim Final-Four-Turnier den Europameister ausspielten, waren es immerhin 1.500. Und wären die tschechischen Gastgeberinnen nicht bereits im Viertelfinale gegen den späteren Zweiten SFT Como ausgeschieden, so wären es vielleicht 3.000 Zuschauer gewesen.

Sportlich hingegen brauchen die besten Europäerinnen den Vergleich mit der amerikanischen Konkurrenz und somit dem Weltmaßstab nicht zu scheuen. „Unser Halbfinale hatte allemal WNBA- Niveau“, meinte Marlies Askamp nach dem harten und intensiven Schlagabtausch mit Como im Halbfinale. Die Centerin des deutschen Meisters BTV Wuppertal, der dem italienischen Titelträger enttäuschend deutlich mit 53:70 unterlag und am Donnerstag im Spiel um Platz drei gegen Galatasaray Istanbul mit 53:62 verlor, muß es wissen. Sie spielt seit zwei Jahren auch für den US-Klub Phoenix Mercury und war sich in Brünn bei der Leistungseinschätzung mit ihren sechs Kolleginnen aus der Sommerliga einig.

Ob die ebenfalls für Wuppertal aktiven Sandy Brondello und Carla Porter, die Französin Isabelle Fijalkowski und die Brasilianerin Alessandra im Trikot Comos oder die Amerikanerinnen Wendy Palmer und Andrea Stinson, die den Final-Four-Debütanten aus Istanbul verstärken – sie alle nehmen die Doppelbelastung der langen europäischen Saison und der kürzeren amerikanischen auf sich. Mit Ausnahme der Amerikanerinnen sind Askamp und Co. in der verbleibenden Zeit zwischen April und Juni auch noch für ihre Nationalteams aktiv. Ende Mai geht es bei der Europameisterschaft um die vier Tickets für die Olympischen Spiele in Sydney. „Ich bewundere die Spielerinnen, wie sie diese Dauerbelastung verkraften – das würde kein NBA-Spieler auf sich nehmen“, sagt Wuppertals Trainer Olaf Lange. „Aber auf lange Sicht ist das leistungslimitierend.“ Der 27jährige gibt sich jedoch keinen Illusionen hin. „Wir können unsere Stars nicht so gut bezahlen, daß sie nur hier spielen.“

Doch der Reiz der WNBA ist für die Europäerinnen nicht nur das Geld allein. Marlies Askamp und Isabelle Fijalkowski wollten sich auf die EM konzentrieren und ihrem Körper dann eine Pause gönnen, aber die Vorfreude auf ein ganz anderes Basketball-Erlebnis mit Medienrummel und Fan-Interesse ließ zumindest Askamp umschwenken und erneut beim Zuschauerkrösus Phoenix zusagen. „Wenn ich da in die Halle komme und 16.000 Zuschauer jubeln, kriege ich schon eine Gänsehaut.“

In Europa sieht es anders aus, und die amerikanische Vermarktungsmaschinerie würde hierzulande wohl auch nicht greifen. Vielerorts unterstützen nur knapp tausend Zuschauer die 14 Europaligisten bei den internationalen Punktspielen, und in ihren nationalen Ligen stoßen sie auf noch weniger Interesse, weil sie sowieso klar dominieren. Der achtfache deutsche Meister Wuppertal, der seit 1994 konstant zur europäischen Spitze zählt und jedes Jahr zumindest das Viertelfinale erreichte, verlor Ende März sein erstes Spiel gegen einen deutschen Gegner seit vier Jahren.

Große Hallen füllen nur die Korbjägerinnen im ehemaligen Ostblock. Die Final-Four-Gewinnerinnen vom SCP Ruzomberok aus der Slowakei, die sich gegen Como mit 63:48 durchsetzten, dürfen sich über 3.000 bis 4.000 Fans freuen. Am schlechtesten sind die Deutschen dran. Während sich die Konkurrenz aus Italien, Frankreich, Tschechien, der Slowakei und der Türkei wenigstens auf regelmäßige Fernsehberichterstattung und somit zusätzliche Einnahmen verlassen kann, flimmern Frauenspiele hierzulande höchstens regional in Kurzbeiträgen über den Bildschirm.

Weltweit ist der Stellenwert des europäischen Frauenbasketballs jedoch gewachsen. Comos Meistertrainer Aldo Corno betonte in Brünn, auch künftig lieber Europäerinnen als Amerikanerinnen zur Verstärkung seines Teams verpflichten zu wollen. Und auch das neuerliche Vertragsangebot des WNBA-Vizemeisters aus Arizona an Marlies Askamp verdeutlicht den Trend. Obwohl die Konkurrenzliga ABL Pleite machte und ihre Spielerinnen verstärkt in die WNBA drängen, obwohl die 1,98 Meter große Deutsche vergangene Saison in Phoenix nur wenig Spielzeit bekam und obwohl sie die Saisonvorbereitung wegen der EM nicht mitmachen wird, wurde sie von Trainerin Cheryl Miller vergangene Woche mit einem Telefonanruf überrascht. „Ich soll sogar in die Startformation rücken“, wundert sich Askamp.

Auch in der WNBA ist die 28 Jahre alte Jurastudentin eine der schnellsten und kräftigsten Centerinnen. Eher noch als die männlichen Kollegen können die hiesigen Spitzenklubs mit den amerikanischen Profis athletisch mithalten. Physis und Härte sind die Punkte, in denen sich der europäische Frauenbasketball in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt hat. „Es reicht nicht mehr, eine technisch und taktisch gute Basketballerin zu sein, weil man ohne Körpereinsatz gar nicht mehr dahin kommt, wo man sein Können einsetzen könnte“, hat Askamp analysiert, und sie glaubt, „daß es in Richtung Athletik in Europa noch ein bißchen weitergehen wird, wenn die Spielerinnen kommen, die schon mit 15 Jahren und nicht erst mit 24 auf diesem Level angefangen haben zu trainieren“.

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