: Heilsversprechungen des Punk
■ Doppelte Jugend: Bei Rogner & Bernhard erscheint Bewährtes und Neues vom norwegischen Schriftsteller Ragnar Hovland
Wenn in einem Roman gleich am Anfang einer with a suitcae in my hand dasteht, um das heimatliche Dorf gegen die nächste Stadt zu tauschen, ahnt man: Nun folgt eine bittersüße Odyssee durch die Irrungen und Wirrungen der Jugend. Und geanu darum geht es in Ragnar Hovlands Roman Über den Wasserns schweben. Ein Roman, der noch einmal erzählt, womit sich der Jungmann die Zeit bis zum Erwachsenwerden vertreibt: Bier trinken, bis sich alles dreht, Junge Frauen in der Mensa ansprechen und sich schlecht ernähren.
Handlung wie Kulisse in den ausgehenden 70ern verortet, versprüht dieses Erzählstück dennoch jenen zeitlos-traurigen Witz, der beim Überleben hilft. Der namenlose Ich-Erzähler verbündet sich dabei mit einem Amateur-Psychologen namens Munk. Dazu gesellt sich Waglen, ein herzlich-rauher Bursche, der unseren Helden schon in frühen Kindertagen gerne in den Schwitzkasten nahm. Gemeinsam stolpern sie durchs Leben und – gründen eine Band. Beseelt vom Geist des Punks, für dessen Heilsversprechungen sie bereits zu alt sind.
Das alles serviert Hovland mit lockerer Hand, garniert mit viel Humor und bodenständigem Charme. Ein Buch also, höchst amüsant erzählt und nicht nur aufgrund eines gewissen Wiedererkennungswerts empfehlenswert, wobei sein männlicher Blick für die Damenwelt eher von ethnologischem Interesse sein dürfte.
Denn wie schon mit dem Vorgänger Paradies, hat es Hovlands deutscher Verlag nicht bei einer Kostprobe des norwegischen Erfolgsautoren belassen. So folgt alsbald Doktor Munks Vermächtnis. Ein klassischer Fortsetzungsroman, nur sind die Helden allesamt 15 Jahre älter, wenn auch nicht reifer. Kinder, wie die Zeit vergeht! Und die ist nicht immer gnädig.
Unsere Helden treffen sich als Lehrer, Videofilmer und Schafzüchter, beruflich geläutert, jedoch im Innersten Peter-Maffey-mäßig Kind geblieben. Und beleben ihre Band neu. Was – wie wir wissen – meist noch die schönsten Erinnerungen tilgt. Da hilft es auch nicht, daß das Trio das beschauliche Norwegen verläßt, in Kiel anlandet und auch die Hamburger Reeperbahn streift.
Versprühte das Original Tempo, Geist und gute Laune, gerinnt hier vieles zu liebloser Ruppigkeit. Und so ergeht es einem beim Lesen des zweiten Romans wie bei den mentalen Vorbereitungen zu einem Ehemaligen-Treffen: Du weißt, zu Anfang ist es nett, schnell wird es öde; aber du gehst trotzdem hin.
Frank Keil
Ragnar Hovland: „Über den Wassern schweben“ und „Doktor Munks Vermächtnis“, Rogner & Bernhard, Hamburg, 512 Seiten, 36 Mark
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