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Kopfüber nach Frankreich ■ Von Ralf Sotscheck
Das hat der irischen Europabegeisterung einen argen Dämpfer versetzt: Die Europäische Kommission, so wurde im Radio berichtet, habe angeordnet, daß in Irland und England künftig rechts gefahren werde. Am Stichtag im Sommer würde der Verkehr für eine Viertelstunde gestoppt und sodann auf die andere Fahrbahn umgeleitet. Bis dahin müßten Lenkräder, Pedale und Armaturen auf eigene Kosten nach links verlegt werden, sonst werde die Versicherungsprämie verdoppelt.
Prima, dachte ich, mein 13 Jahre altes Erbstück ist bereits Linkslenker, und bisher mußte ich bei der Versicherung deshalb einen erheblichen Aufschlag zahlen. Die neue Regelung würde den Wert der betagten Kiste schlagartig erhöhen. Die Zuhörer am Radio waren jedoch hellauf entsetzt und bombardierten den Sender mit wütenden Anrufen, in denen einige die Brüsseler Beamten als Kanonenfutter nach Serbien wünschten.
Als ein Anrufer erzählte, er habe schon mal sein Lenkrad abgeschraubt, wisse aber nicht, wie er es nun auf der Beifahrerseite befestigen solle, hielt es der Radioreporter für angebracht, auf das Datum hinzuweisen, um den Sender vor Schadensersatzforderungen zu bewahren: Es war der 1. April.
Kein Aprilscherz ist dagegen die Werbung der Reederei Irish Ferries für einen Frankreich-Urlaub. Auf dem Reklamefoto ist ein junges irisches Pärchen im offenen Sportwagen zu sehen, das auf einer menschenleeren Allee durch die Normandie rast – auf der linken Straßenseite. Ann O'Brien vom Verband der Opfer von Rechtsfahrern in Irland monierte: „Wir kämpfen seit Jahren dafür, daß Autovermieter ihre Kunden daran erinnern, auf der richtigen Straßenseite zu fahren, und dann so was. Das Thema ist wichtig und sollte nicht ignoriert werden.“ O'Briens Verlobter wurde bei einem Unfall mit Italienern getötet, die auf einer Landstraße im Nordwesten Irlands wie daheim in der Toscana rechts gefahren waren. Sie selbst wurde bei dem Zusammenstoß schwer verletzt.
Teddy Daly, der Werbemanager von Irish Ferries, sagte, das Pärchen im Sportwagen auf dem Reklamefoto könnte ja gerade ein anderes Auto überholt haben. Als man ihn darauf hinwies, daß weit und breit kein anderer Wagen zu sehen sei, meinte er, daß das Auto ja nicht wirklich links fahre: „Wenn man genau hinsieht, merkt man, daß der Wagen eigentlich in der Mitte der Straße ist.“ Dann ist ja alles in Ordnung, man muß sich ja nicht immer festlegen.
Inzwischen hat sich die französische Fremdenverkehrszentrale eingeschaltet. Ein Sprecher sagte, das Werbeplakat sei „wenig hilfreich“, man wolle die Reederei deswegen ins Gebet nehmen. Befürchtet man, daß die Iren wegen der Reklame auf dem europäischen Festland fortan links fahren? Gutgläubig genug sind sie offenbar, wenn man die Reaktionen auf den Aprilscherz im Radio betrachtet.
Man sollte deshalb schleunigst den neuen TV-Werbespot von Jaguar aus dem Verkehr ziehen: Darin saust einer in dem silbergrauen Geschoß durch einen Tunnel, und zwar weder links noch rechts, sondern auf dem Kopf stehend an der Decke. Wenn die Iren das nun reihenweise im Kanaltunnel probieren, schaffen sie es gar nicht erst in die Normandie, um dort links zu fahren.
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