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■ Niger: Putsche in Afrika erregen die Welt längst nicht mehrNoch ein Präzedenzfall

Putsch in Niger – ein solches Ereignis ist in Zeiten eines Krieges in Europa dazu verdammt, übersehen zu werden. Möglicherweise spekulierten darauf auch die für den Staatsstreich verantwortlichen Präsidialgardisten. Aber der gewaltsame Umsturz in einem der ärmsten Länder der Welt ist in Wahrheit ein Lehrstück und könnte Schule machen.

Anfang der 90er Jahre war Niger ein Vorreiter der Demokratisierung in Afrika. Es überwand 1993 mit freien Wahlen das Einparteiensystem und vertrieb die bisherigen Diktatoren von der Macht. Aber die Demokratisierung erschöpfte sich danach im Machtkampf zwischen Hauptstadtklüngeln um die Kontrolle von Staatsbetrieben und Beamtenposten, während die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes vernachlässigt wurden. So überraschte es nicht, daß schon 1996 das Militär unter dem jetzt getöteten Ibrahim Bare Mainassara wieder putschte.

In dieser ganzen Zeit war die ausländische Politik gegenüber Niger – wo Deutschland zu einem der größten Geldgeber zählt – von Widersprüchen geprägt. Während des demokratischen Zwischenspiels von 1993 bis 1996 wurde das Problem, daß im äußerst traditionell geprägten Niger die gesellschaftlichen Kräfte für eine demokratische politische Entwicklung sehr schwach waren, übersehen. Nach dem Putsch wurde die Entwicklungszusammenarbeit zunächst eingefroren – und dann wiederaufgenommen, als Bare wieder eine formelle Mehrparteiendemokratie einführte. Trotz der nachweislich weiterhin autoritären Entwicklung des Regimes. In den letzten Monaten hatte die Regierung Bare wieder so etwas wie internationale Respektabilität erreicht.

Die internationale Anerkennung für Bare mußte im Land zwangsläufig den Eindruck erwecken, man brauche nur lange genug an der Macht zu sein und ein paar Spielregeln einhalten, und schon werde sich alles richten. Afrikanische Präzedenzfälle der letzten Jahre bestätigen diese Auffassung. Präsident Yayah Jammeh in Gambia, Pierre Buyoya in Burundi, Denis Sassou-Nguesso in Kongo-Brazzaville – sie alle haben sich innerhalb der letzten fünf Jahre an die Macht geputscht und haben die anfängliche internationale Kritik gut überstanden. Nun gibt es in Niger also wieder einen Putsch, und die ausländische Reaktion ist zaghaft, denn die internationalen Geldgeber haben derzeit andere Sorgen. Beste Voraussetzungen also dafür, daß potentielle Putschisten jetzt auch in anderen afrikanischen Ländern ihre verstaubten Pläne aus den Schubläden holen. Dominic Johnson

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