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Militär ermordet Militärherrscher in Niger

Nach der Ermordung von Präsident Ibrahim Bare Mainassara durch die eigene Garde herrscht Stille in dem armen Sahelstaat. Niemand übernimmt die Macht, niemand ergreift eine politische Initiative  ■   Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Es war ein Militärputsch wie aus dem Bilderbuch. Der Präsident stand auf dem militärischen Teil des Flughafens seiner Hauptstadt und besichtigte eine kleine Luftwaffeneinheit. Vier Fahrzeuge der Präsidialgarde fuhren in seine Nähe und hielten an. Als er über die Piste zu seinem Hubschrauber ging, wurde aus den Autos heraus das Feuer eröffnet. Das Knattern der automatischen Gewehre dauerte etwa eine Minute. Von hinten mit Kugeln durchsiebt, starb der Präsident sofort, zusammen mit vier Begleitern.

So endete gegen zehn Uhr früh am Freitag im Sahelstaat Niger die Herrschaft von Präsident Ibrahim Bare Mainassara. Aber was als perfekt geplanter Staatsstreich erschien, entpuppte sich im Wochenende als Aktion ohne Folgeplanung. Niemand ergriff die Macht, niemand brüstete sich, Niger von einem Diktator befreit zu haben.

Der Leiter der Gardeeinheit, die Bare erschoß, Major Daouda Malam Wanke, nannte Bares Tod ebenso einen „Unfall“ wie Premierminister Ibrahim Assane Mayaki, der zunächst als starker Mann erschien und gegen heftigen Protest der Betroffenen die Auflösung des Parlaments und der Parteien verkündete. Die für den Samstag erwartete Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit fiel aus; für gestern waren nach Bares Beerdigung weitere Gespräche zwischen Militär- und Zivilpolitikern angesagt.

Dabei kann die Lücke, die Bare hinterläßt, so groß nicht sein. Der Karrieresoldat, der am 9. Mai 50 Jahre alt geworden wäre, hatte sich erst im Januar 1996 an die Macht geputscht, um nach eigenen Worten die „Kömodie“ der vorherigen gewählten und zerstrittenen Zivilregierung zu beenden. Noch im selben Jahr ließ er sich in weithin als gefälscht angesehenen Wahlen im Amt bestätigen. Die von ihm gestürzten Zivilpolitiker behandelte er mit harter Hand, ebenso wie die Gewerkschaften und die unabhängige Presse. All diese Kräfte haben eine äußerst virulente Opposition gegen den Militärherrscher betrieben, der sich vor allem auf die Freundschaft Frankreichs und Nigerias sowie auf die Autorität der traditionellen islamischen Führer und Ältesten in seinem Land stützte.

In letzter Zeit hatte sich Bare immer mehr Feinde gemacht. Am Dienstag annullierte das Verfassungsgericht den Großteil der Kommunalwahlen, die am 7. Februar stattgefunden hatten. Bei diesen Wahlen hatte das Oppositionsbündnis FRDD, Kollektiv von elf politischen Parteien Nigers, auf allen Ebenen die Mehrheit erzielt. Grund für die Annullierung war, daß Teile der Armee und Anhänger von Präsident Bares Partei RDP in Oppositionshochburgen massiv die Stimmenauszählung behindert hatten. Die Wahlannullierung verärgerte sowohl die Opposition, die zu Bares Rücktritt aufrief, wie auch die RDP, die die Anschuldigungen gegen sie „grundlos“ nannte.

Einen Tag später verabschiedete das von der RDP beherrschte Parlament Nigers ein kontroverses Gesetzespaket, das Massenentlassungen im öffentlichen Dienst ermöglicht. Die Sanierung des aufgeblähten Staatsapparates ist Bedingung der internationalen Geldgeber für die Zusammenarbeit mit Niger, stößt aber seit Monaten auf Unmut und Streiks bei den Betroffenen, die mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze vor dem Ruin stehen. Nach dem Parlamentsbeschluß rief Nigers Gewerkschaftsdachverband USTN dazu auf, das Gesetz zu „bekämpfen“.

Und bereits am vorletzten Freitag hatte die Regierung erstmals zugegeben, was Menschenrechtler seit Monaten behauptet hatten – nämlich daß Soldaten im vergangenen Oktober auf einer Insel im Tschadsee 150 ehemalige Rebellen des ostnigrischen Toubou-Volkes massakrierten. Das Blutbad im von Bandenkriegen geplagten Länderdreieck Niger-Tschad-Nigeria strafte die Behauptungen der Regierung Bare, man habe nach Jahren der Instabilität den Frieden mit den Nomadenvölkern der Tuareg und Toubou wiederhergestellt, Lügen. Am vergangenen Donnerstag nannte die Wochenzeitung Le Republicain sogar mögliche Verantwortliche für das Massaker mit Namen, und es kursierten Gerüchte über bevorstehende Entlassungen an der Armeespitze.

Das Militär, das Präsident Bare an die Macht getragen hatte, stand plötzlich blutbefleckt da. Bis zum Putsch war es da nicht mehr weit. Aber nun stehen alle Akteure da wie betäubt. Vier Wochen Staatstrauer sind verkündet worden, und in dieser Zeit sind wenig politische Initiativen zu erwarten. Das deutet nicht auf einen gut geplanten Umsturz hin. Vielmehr weiß wohl niemand, wie in einem der ärmsten Länder der Welt stabile und demokratische Verhältnisse einkehren können.

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