: Politiker fürchten mediengemachte Stimmung –betr.: „Krieg macht dumm“, Kommentar von Stefan Reinecke, taz vom 7.4.99
Daß man hauptsächlich Moral- und Durchhalteparolen von den Politikern hört, kann jeder in Funk und Fernsehen erleben. Die Gründe dafür zu verstehen und zu deuten, sollte ein Kommentator in der Lage sein.
Ob Milosevic mit seiner menschenverachtenden Politik und mit dem Morden Recht behält, entscheidet sich in den Bevölkerungen der Nato-Staaten und damit in deren Medien. Die Politiker fürchten die mediengemachte Stimmung ihrer Bevölkerung und müssen gleichzeitig die Verantwortung für Hunderttausende von Flüchtlingen tragen. Diese Verantwortung sollte sich auch jeder Publizist bewußt machen. Ihre saloppe Art und das Herunterkorrigieren von 30.000 auf ja nur 7.076 Opfer in Srebrenica erinnert an die Argumentation eines FAP- Gauleiters, der einst mein Mitschüler war und die Holocaust-Opfer herunterrechnete. Stehlen Sie sich nicht aus der Verantwortung und verunglimpfen Sie nicht in menschenverachtender Art die von Milosevic verursachten „unvorstellbaren Greuel“. [...] Thomas Fiedler, Hamburg
Vielen Dank für Ihren exzellenten Kommentar. Allerdings gilt auch das Umgekehrte: „Dumm(heit) macht Krieg.“ Oder wie ist das Versagen der deutschen Außenpolitik zu verstehen? Wie können europäische Staaten sich der amerikanischen Politik bedingungslos anschließen und einen erfolglosen, aber langen Krieg auf dem eigenen Erdteil zulassen? Eine eigene Strategie Deutschlands ist nicht erkennbar. Unsere Politiker kommen mir wie Zauberlehrlinge vor, die die gerufenen Geister nicht mehr loswerden, denn ein Meister ist nicht in Sicht. [...]
Vielleicht sind unsere Politiker aber auch nicht dumm, sondern verfolgen gerissen die Strategie einer Regionalmacht in der neuen amerikanischen Weltordnung. Dann wäre der Krieg auf dem Balkan nur der Anfang, und das deutsche Volk wäre der Dumme (auch dann gilt „Dumm macht Krieg“). Es müßte sowohl die Kriege als auch deren Folgen bezahlen und das Leben junger Menschen opfern. Deshalb muß es dumm gehalten werden. Rüdiger Weiß, Karlsruhe
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