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Angst vorm Weltkrieg

In Polen wird befürchtet, daß der Kosovo-Krieg zu einem dritten Weltkrieg eskalieren könnte  ■ Aus Warschau Gabriele Lesser

Vor der Amerikanischen Botschaft in Warschau steht ein alter Mann und droht den „Faschisten“ hinter dem Zaun immer wieder mit dem Schirm. „Go home, Ami!“ verwünscht er sie zornig. Rings um ihn beginnen rund 50 Anhänger des „Komitees zur Unterstützung Jugoslawiens“ zu skandieren: „Ter- ro-ris-ten, Ter-ro-ris-ten!“ Über ihren Köpfen wehen jugoslawische und makedonische Flaggen.

Auf Transparenten können die Botschaftsmitarbeiter lesen, wenn sie denn aus dem Fenster blicken, worum es dem „Brudervolk der Serben“ geht: „Nato = Neue Amerikanische Terror-Organisation“ steht auf einem. „Hört auf, Lügen über die Serben zu erzählen“ auf einem anderen. Und schließlich: „Serbien will Frieden“.

Die wenigen Passanten, die an der Botschaft vorbeigehen, bekommen Flugblätter völlig verschiedener politischer Herkunft in die Hand gedrück: die rechtsradikale Partei Vaterland fordert den sofortigen Austritt Polens aus der Nato. Hinter dem Angriff auf die slawischen Brüder stünden die amerikanischen Juden, die mit dem Krieg auf dem Balkan das slawische Volk vernichten wollten. Polen, dem die Serben im Zweiten Weltkrieg geholfen hätte, eine Exilarmee gegen Hitler aufzubauen, würde jetzt Verrat am Brudervolk üben und gemeinsam mit 18 weiteren Nato-Staaten das kleine „Heldenvolk“ angreifen.

Auf einem anderen Flugblatt fordert das „Internationale Slawische Komitee“ die Auflösung der Nato, da sie nicht in der Lage sei, die wahren Feinde von Demokratie und Freiheit auszumachen. Dies seien nämlich die Kosovo-Albaner, die der Mehrheit des serbischen Staatsvolkes ihren Willen aufzwingen wollten und eine Befreiungsarmee gegründet hätten.

Die serbische Regierung sei dagegen demokratisch gewählt. Da die Kosovo-Albaner den Krieg begonnen hätten, wäre es die Pflicht der Nato gewesen, Serbien im Kampf gegen die UÇK beizustehen, die Untergrundarmee zu entwaffnen und aufzulösen.

Zwar wird die Demonstration der Panslawisten vor der Amerikanischen Botschaft in Warschau kaum beachtet, doch auch die polnische Gesellschaft, die sich vor drei Wochen noch so über den Beitritt zur Nato freute, ist inzwischen gespalten.

Einer Umfrage von Ende März zufolge sind zwar knapp 70 Prozent der Befragten für die Mitgliedschaft ihres Landes in der Nato, doch nur 42 Prozent sprechen sich für den Nato-Einsatz in Jugoslawien aus. Jeder vierte hält ihn ausdrücklich für falsch. Daß der Krieg die gesamte europäische Sicherheit bedrohe, fürchten 77 Prozent, drei Viertel aller Befragten. Über die Hälfte, 62 Prozent, hält es sogar für möglich, daß der militärische Konflikt auf dem Balkan zu einem Weltkrieg eskaliert.

Dennoch können sich rund 70 Prozent der Befragten vorstellen, daß sich polnische Soldaten am Nato-Einsatz beteiligen, allerdings zumeist nur unter der Bedingung, daß diese Soldaten „nach dem Ende der Kampfhandlungen ins Land kommen, zum Aufräumen und um die Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten“. Nur 18 Prozent wären auch bereit, polnische Soldaten zum Kämpfen in das Kosovo zu schicken.

Die zwiespältigen Gefühle der Gesellschaft spiegeln sich auch in den Parteien wider. Während die Wahlaktion Solidarnoșç (AWS) und die Freiheitsunion (UW), die die Regierung stellen, den Nato- Einsatz zu über 70 Prozent befürworten, halten sich Ablehung und Zustimmung bei der oppositionellen Bauernpartei (PSL) fast die Waage. Eher kritisch verhält sich auch das postkommunistische Demokratische Linksbündnis (SLD) – nur jeder zweite hält den Nato- Einsatz für richtig.

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