American Pie
: Go south!

■ Immer mehr Stars der kanadischen Eishockeyteams emigrieren in die USA

Them good old boys were drinking whiskey and rye

Durch eine 0:2-Heimniederlage gegen die Vancouver Canucks verpaßten die Calgary Flames am Montag endgültig den Einzug in die Play-offs der Eishockeyliga NHL. Die Vorentscheidung war jedoch schon viel früher gefallen, genau gesagt am 28. Februar. Da mußte das kanadische Team seinen langjährigen Torgaranten Theoren Fleury an Colorado Avalanche abgeben. In neun Heimspielen hat Calgary seitdem nur zwölf Tore erzielt, während Fleury für sein neues Team in elf Spielen acht Treffer und elf Assists zustande brachte. Der Wechsel des ebenso kleingewachsenen wie giftigen Publikumslieblings nach Denver hatte einen einfachen Grund: Die Flames konnten ihn sich nicht mehr leisten. Ein Spieler wie Fleury kann inzwischen acht Millionen Dollar pro Saison verlangen, die gesamte Lohnsumme der Calgary Flames beträgt 20 Millionen Dollar. Ähnliches widerfuhr in dieser Saison auch den traditionsreichen Montreal Canadiens, die ihre Cracks Mark Recchi und Vincent Damphousse abgeben mußten.

Während die Liga in den letzten Jahren nach Kalifornien, Florida, Texas, Arizona, Carolina und zuletzt Tennessee expandiert hat, geraten die nördlichen Klubs zunehmend in Schwierigkeiten, obwohl sie über eine breite Fanbasis verfügen, die sich die südlichen Ableger erst mühsam erarbeiten müssen. Noch sechs Teams aus Kanada gibt es in der NHL, es wird befürchtet, daß weitere Klubs in die USA abwandern. Nach dem Abgang der Quebec Nordiques (jetzt Colorado Avalanche) und der Winnipeg Jets (Phoenix Coyotes) hat der Besitzer der Ottawa Senators, Rob Bryden, bereits erklärt, daß seinem Klub ebenfalls die baldige Emigration droht.

Neben den gestiegenen Gehältern und der Schwäche des kanadischen Dollars beklagen die Teams vor allem, daß die Strukturen in ihrem Land dieselben wie früher sind, während die Eishockeyklubs in den USA massiv gefördert werden. Neue, moderne Hallen werden dort zum großen Teil von den Gemeinden finanziert, außerdem gibt es weitreichende Steuervergünstigungen. Die Montreal Canadiens zum Beispiel müssen 11,2 Millionen Dollar Steuern für ihre Arena bezahlen – das ist mehr, als sämtliche 21 US- Teams zusammen aufzubringen haben. Da der Profisport in Nordamerika nicht als Industrie eingestuft wird, profitieren die Eishockeyklubs auch nicht vom Handelsabkommen Nafta, das Subventionen für kanadische Unternehmen vorsieht, die mit subventionierten US-Unternehmen konkurrieren. Die NHL hat zwar einen Ausgleichsfonds, doch aus dem erhalten nur kleine Märkte wie Calgary, Ottawa oder Edmonton fünf Millionen Dollar pro Jahr. Toronto, Vancouver und Montreal gehen leer aus.

Die Canadiens haben ebenso wie Vancouver und Calgary den Einzug in die Play-offs verpaßt, dabei sind ab nächster Woche Toronto, Edmonton und Ottawa. Letztere behaupten sogar noch den ersten Platz in der Eastern Conference, was besonders bemerkenswert ist, da die Senators mit 19 Millionen Dollar die zweitniedrigste Gehaltssumme der Liga haben.

„Wir wollen sechs starke, gesunde Teams in Kanada haben“, betont Gary Bettman die Entschlossenheit der Liga, ein weiteres Austrocknen des Nordens zu verhindern. Wie die Abwanderung der teuren Stars zu stoppen ist, weiß jedoch auch der NHL-Commissioner nicht. Der kollektive Arbeitsvertrag, den viele für die Gehaltsexplosion verantwortlich machen, läuft schließlich noch bis zum Jahr 2004. Vancouvers Generalmanager Brian Burke hat das Abkommen mit ausgehandelt, gibt aber die Schuld nicht den Spielern, sondern seinen Managerkollegen von anderen Klubs: „Wir haben einen Fehler gemacht – der Vertrag war nicht idiotensicher.“ Matti Lieske