piwik no script img

Jugoslawische Truppen greifen albanische Dörfer an

■ Nach ihrem Einmarsch in Nordalbanien und schweren Gefechten mit der Grenzpolizei haben sich die Einheiten wieder zurückgezogen. OSZE bestätigt den Vorstoß, Belgrad dementiert. Tirana befürchtet weitere Destabilisierung der Region

Tirana/Belgrad/Wien (rtr/dpa/taz) – Der Krieg um das Kosovo droht jetzt auch auf Nachbarstaaten der Provinz überzugreifen. Serbische Militäreinheiten besetzten gestern nach Angaben der Regierung in Tirana mehrere Dörfer im Norden des Landes. Sie haben sich am Nachmittag nach Kämpfen mit der Grenzpolizei wieder zurückgezogen, meldete das albanische Innenministerium. Die Soldaten der jugoslawischen Armee hätten vor dem Einmarsch mit Granatwerfern und schwerer Artillerie auf die Dörfer Padesh und Kamenice in der Nähe des kleinen Orts Tropoje gefeuert, hatte zuvor der albanische Informationsminister erklärt.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigte den Vorstoß jugoslawischer Einheiten. Mehrere Häuser an der Grenze seien abgebrannt, sagte die OSZE-Sprecherin Tatjana Seyppel. Die Regierung in Belgrad dementierte laut Angaben des US-Fernsehsenders CNN, in Nordalbanien einmarschiert zu sein.

Albaniens Ministerpräsident Pandeli Majko kam gestern in Tirana mit dem Verteidigungsminister und dem Generalstabschef der Streitkräfte zusammen. Auch der Nationale Sicherheitsrat hielt eine Krisensitzung ab.

Bereits in den vergangenen Tagen hatten sich Kämpfer der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) und jugoslawische Grenztruppen mehrfach schwere Gefechte geliefert. Nachdem am Sonntag zwei Zivilisten getötet und mehrere verletzt worden waren, hatte Albaniens Innenminister ein Eingreifen der Nato gefordert, um die „serbische Artillerieoffensive“ an der albanischen Grenze zu beenden. Bereits in der vergangenen Woche hatte Albanien der Stationierung von 8.000 Nato-Soldaten zugestimmt und seinen Luftraum für Nato-Operationen zur Verfügung gestellt. Tirana fürchtet eine weitere Destabilisierung im Norden des Landes. Seit den Unruhen im Frühjahr 1997 hat die Regierung die Kontrolle über den Norden noch nicht wiedererlangt. Hier zirkulieren Tausende von Waffen, die damals aus Armeedepots entwendet wurden. Überdies soll die UÇK hier mehrere Ausbildungslager unterhalten und Waffen in das Kosovo schaffen. In einem Interview der spanischen Tageszeitung El Mundo vom Montag verurteilte Albaniens Staatspräsident Rexher Majdani den Beschuß albanischen Gebiets als „Provokation“ durch Jugoslawien. „Unsere Politik ist es, nicht zum bewaffneten Gegenstoß überzugehen, weil wir nicht die Absicht haben, die Natur dieses Krieges zu ändern“, sagte Mejdani. bo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen