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Arendt soll Ebert Platz machen

■ Bezirk nimmt auf Senatsweisung Namensvorschlag für Platz hinterm Reichstag zurück

Auch Hintereingänge haben bisweilen eine prominente Bedeutung: Die Benennung des Platzes hinter dem Reichstag an der Friedrich-Ebert-Straße hat zu einem empfindlichen Scharmützel zwischen Bund, Land und Bezirksamt Mitte geführt. Das Bezirksamt hatte in seiner Sitzung vom 30. März beschlossen, den Platz nach der Philosophin Hannah Arendt zu benennen. Wie gestern bekannt wurde, mußte das Bezirksamt den Beschluß auf Weisung der Senatsverwaltung Bauen, Wohnen und Verkehr formell zurücknehmen.

„Auch wenn wir inhaltlich unseren Standpunkt nicht verändert haben, werden wir die Sache nicht weiterverfolgen“, sagte der stellvertretende Bezirksbürgermeister Jens-Uwe Heuer (PDS) zur taz. Der Bezirk nehme davon Abstand, Schilder malen zu lassen, und werde auch keine Bekanntmachung im Amtsblatt veröffentlichen.

Der Bezirk mußte sich dem Druck des Senats beugen, da er mit dem Beschluß zur Benennung des Platzes im künftigen Regierungsviertel seine Kompetenz überschritten hatte. Er hätte den Namen lediglich vorschlagen dürfen, da es zwischen Bund, Land und den Berliner Bezirken eine Abmachung gebe, wonach bei der Benennung Straßen und Plätze im künftigen Berliner Regierungsviertel alle Beteiligten mit einbezogen werden müßten, sagte die Sprecherin des Senats Bauen, Petra Reetz, gestern der taz.

Das Land in Repäsentanz des Berliner Bausenats schlägt den Namen Friedrich-Ebert-Platz vor, „da es der Orientierung dienlich ist, wenn ein gleichnamiger Platz in eine gleichnamige Straße eingegliedert wird“, begründete Reetz. Doch grundsätzlich habe der Senat auch gegen den Namen Hannah-Arendt-Platz nichts einzuwenden, versicherte sie. Allerdings müßten sich Bund, Land und Bezirk an einen Tisch setzen und die verschiedenen Vorschläge noch in diesem Monat erörtern.

Der Bezirk hatte sich für die Jüdin Hannah Arendt ausgesprochen, die vor allem durch ihre Schrift „Elemente und Ursprünge totalitäter Herrschaft“ bekannt wurde, weil bei „der Benennung im Umkreis des Deutschen Bundestages nicht nur an die Kontinuität deutscher demokratischer Parlamentsgeschichte erinnert werden sollte, sondern auch an die Brüche deutscher Geschichte, wie das Versagen der politischen Eliten der Weimarer Republik, das NS-Regime und seine Menschheitsverbrechen“. Hannah Arendt, die 1933 vor den Nazis fliehen mußte und später in die USA emigrierte, könne von „keiner ideologischen Seite vereinnahmt werden“, warb Heuer für den Vorschlag des Bezirks. Das heiße ausdrücklich nicht, daß der Bezirk etwas gegen die Person von Friedrich Ebert, dem ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, einzuwenden habe.

Die Kritik des Bezirks richte sich allerdings gegen „eine glatte, homogene Benennung nach Repräsentanten der parlamentarischen Demokratie dieser Zeit“. Das politische Nachdenken müsse über Stresemann, Scheidemann und Ebert hinausgehen. Er wünsche sich, daß sich aus dieser Diskussion mehr entwickle als eine Diskussion um die Benennung dieses Platzes. Heuer: „Vielleicht bewirkt es den Anstoß, über die Gebrochenheit und Ungebrochenheit der deutschen Geschichte nachzudenken“.

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