Statt beten und sich zieren: Rationalisieren

■ Die Forderung, 62 Hamburger Kirchen zu schließen, löst heftige Proteste aus Von Ludger Hinz

Eine besondere Geburtstagsüberraschung haben sich sieben junge Hamburger Pfarrer und Vikare zum 20jährigen Jubiläum des Kirchenkreises Alt-Hamburg ausgedacht. Um etwas gegen Mitgliederschwund und BürgerInnenferne zu unternehmen, fordern sie in einem Thesenpapier eine effektivere Arbeitsweise der evangelischen Kirche in Hamburg. Für ihre Rationalisierungsideen kassierten sie allerdings heftigste Reaktionen, sind ihre Vorschläge doch eher von kaufmännisch-wirtschaftlichen Aspekten sowie Rechenbeispielen als von christlichen Inhalten geprägt.

Die Hauptforderung des vergangene Woche vom Arbeitskreis „Kirche und Zukunft“ veröffentlichten Thesenpapiers, das den Titel „Das Schiff nicht auf Klippen setzen“ trägt, lautet: In Hamburg sollen 62 der insgesamt 209 evangelischen Kirchen geschlossen werden. Ihre Begründung: „Viele kleine Gemeinden nehmen sich gegenseitig Licht und Luft zum Atmen.“ Deshalb sei eine Reduzierung der eigenständigen Gemeinden und somit der Anzahl der Kirchen um 30 Prozent unabdingbar. Realisiert werden soll das durch die Zusammenlegung kleinerer zu größeren Gemeinden. Dadurch könnte jede Menge Geld gespart werden. Das Personal, so versicherten die Kleriker, solle in die neu geschnittenen Gemeinden übernommen werden.

Höchst unterschiedlich bewerten die potentiell Betroffenen das Thesenpapier. Besonders an der darin vorgeschlagenen „Stadtsu-perintendentur“ scheiden sich die Geister. Dieses Gremium soll Teil einer „Doppelstrategie“ sein: Sie soll einerseits die Handlungsfähigkeit und Autonomie der Gemeinden durch Dezentralisierung stärken. Gleichzeitig soll mit dem übergeordneten Gremium der „Stadtsuperintendentur“ die Gesamtstrategie der evangelischen Kirche in der Großstadt gebündelt werden.

Eine solche übergeordnete Distanz mit Richtlinienkompetenz lehnt Bischöfin Maria Jepsen jedoch ab. „Ich möchte nicht, daß sich Kirche zu einer autoritären, zentralen Organisation entwickelt.“ Die Bischöfin sprach sich auch gegen die Schließung von Kirchen aus. Verschiedene Modelle zum Sparen seien bereits erwogen und auch begonnen worden. So gebe es beispielsweise in Eimsbüttel schon den Zusammenschluß von Gemeinden, die sich Aufgaben im Jugend- und Seniorenbereich teilen. Das heiße aber nicht, so Jepsen, „daß wir Pläne vorliegen haben, Kirchen in Hamburg zu schließen“.

Unterschiedlich äußerten sich auch Hamburger Pastoren zu den provokanten Thesen. So wies beispielsweise Pastor Wolfram Stauffer von der Paulus-Kirchengemeinde in Altona ebenfalls auf bereits bestehende Kooperationen hin. Die Johannes-, Friedens-, Paulus- und Christopherus-Gemeinde teilten sich schon seit zehn Jahren ihre Aufgabenbereiche untereinander auf. Bis zum Jahr 2002 ist sogar geplant, die „Riesenbauwerke“ Trinitatis- und Petrikirche in diese Kooperation zu integrieren. Allerdings sei es durchaus auch bedenkenswert, kirchliche Bauten an kulturelle Träger zu vermieten, um mit der Bewirtschaftung Geld zu verdienen.

Davon hält Pastor Ulrich Hentschel von der Johanneskirche in Altona überhaupt nichts: „Das wäre ein Rückzug aus den kirchlichen Bereichen.“ Schade findet er auch, daß bei solchen Sparvorschlägen immer zuerst die kleinen Gemeinden genannt werden, und schlägt – wohl nicht ganz ernst – vor: „Wenn man richtig Geld sparen will, dann bräuchten nur einige wenige große Kirchen geschlossen zu werden.“ Man kann sich den tosenden Volkszorn schon vorstellen: „Michel bleibt!“