Edle Ökoöle und seelenvolle Laibe

Der Ölmüller Peter Klann produziert im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin Naturkost im Schneckentempo und versucht, auf seinem Werkhof einen Impuls für sanften Tourismus zu setzen  ■   Von Martin Kaluza

Durch die freundliche Rundumverglasung können die Fahrgäste der „Ferkeltaxe“ Flora und Fauna der Schorfheide schon bei der Anreise studieren. Die Fahrt in der Regionalbahn 63, deren Spitzname von einer alten Schweinemastanstalt an der Strecke herrührt, führt durch Buchenwälder, über Felder und vorbei an schilfgesäumten Seen. Die schnelle Stadt ist hier, bei aller geographischen Nähe, bereits weit weg. Mitten im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, mit seinen 1.291 Quadratkilometern Fläche zwischen Eberswalde und Prenzlau, Templin und Angermünde das zweitgrößte Schutzgebiet Brandenburgs, hat sich im letzten Jahr ein Ehepaar niedergelassen, um „Naturkost im Schneckentempo“ herzustellen.

In ihrem „Werkhof Ringenwalde“ wollen Peter Klann, Bäcker und Ölmüller, sowie Martina Busch, Kunsthandwerkerin, Melkerin und Malerin, „alte Handwerke und bäuerliches Können bewahren und wieder aufleben lassen“. Ob sie gerade Leinöl pressen, Honig mit Walnußmehl und Vanille verrühren oder tibetisches Brot backen, sie lassen es in jedem Fall ganz ruhig angehen. In einem Kämmerchen in der Scheune steht die Mühle, mit der Peter Klann die nativen Mostöle kalt preßt, die er dann auf durchnumerierte Fläschchen zieht und mit Naturkorken und Bienenwachs luftdicht verschließt.

Zum Experten wurde Klann, indem er sich das Wissen über die gesundheitsfördernde Wirkung von Ölen anlas. Klann schwört auf sein Schwarzkümmelöl, von den er selbst jeden Morgen einen Löffel einnimmt. Wird es mit Kürbisöl gemischt, gibt es ein gesundes und würziges Salatöl ab. „Schwarzkümmel“, das habe der Prophet Mohammed einmal geschrieben, „heilt jede Krankheit außer den Tod.“ Rezeptfrei. Etwa zwanzig Tropfen Sesamöl in der täglichen Nahrung, so Klann, verdoppelten innerhalb von drei bis vier Wochen die Zahl der roten Blutkörperchen. Typisch für die Gegend sind Leinöl (vor allem als Nebenprodukt aus dem Flachsanbau) und Mohnöl. Ab dem nächsten Jahr wird ein Ringenwalder Bauer für den Werkhof wieder Mohn anbauen. Wozu Leinöl gut ist, muß man Neuberlinern und zugezogenen Brandenburgern erst erklären. Für ein Salatdressing hat es einen zu starken Eigengeschmack, es ist zum Mischen mit anderen Ölen ungeeignet, und braten läßt sich damit schon gar nicht. „Damit“, stellt Martina Busch klar, „verdirbt man sich nur das Essen.“ Klassischerweise träufelt man sich Leinöl aufs Quarkbrot oder über Kartoffeln. Wenn Klann alles Öl aus der kontrolliert-biologisch angebauten Saat herauskitzelt, kommt nichts weg. Von der Industrie wird der ausgedrückte Preßkuchen als Tierfutter verscheuert. Klann hingegen röstet das Sesammehl und verarbeitet es weiter zu Gomasio, einem asiatischen Würzmittel, macht aus dem Kürbismehl eine Kräuterwürzmischung und vermengt Walnuß- oder Mandelmehl zu Honigaufstrichen. Aus dem dicken Öl, in dem sich besonders viele Schwebestoffe absetzen, rührt er würzige Pestos an.

Einen Lebenstraum hat sich der Ölmüller mit seiner eigenen Backstube erfüllt. Das Herzstück, der selbstgebaute Lehmofen mit Steineinsatz aus der Toskana, wird mit Buchenholz befeuert. Hinten im Garten steht der erste Versuch eines Eigenbaus. Der kugelförmige Lehmofen nach portugiesischem Vorbild hat dem hiesigen Klima allerdings nicht lange standgehalten. Maschinen sucht man in der Backstube vergebens, denn damit würde das Wichtigste verlorengehen. Wenn Klann seine Teige von Hand knetet oder das Holz im Ofen anbläst, tut er dies aus Leidenschaft: „Beim Backen kann man eigentlich alle Elemente sinnlich erfahren, vom Wasser bis zum Feuer.“ Das Ergebnis nennt er denn auch sein „Seelenbrot“, und das gibt es nur in begrenzter Stückzahl. Seine Brötchen will der Bäkker vor allem mit der Ölmühle verdienen. Klanns Leidenschaft für die Bäckerei schlägt sich selbst in Details nieder. Die bemehlte Oberfläche und das mit einer Rasierklinge eingeritzte Quadrat im „Ringenwalder Rundling“ sind, so Klann, „eine Verbeugung vor dem exzellenten französischen Bäcker Lionel Polaine aus St. Germain, dessen mittelalterliche Backhöhle wir vor vielen Jahren einmal besuchen durften.“ Die beiden Zipfel am „Pao“ hingegen, das aus Quark-Öl-Teig auf Lorbeerblättern gebacken wird, sind „eine Erinnerung an unser rheinisches Sonntagsbrot. Der eine Zipfel ist die alte Woche, der andere Zipfel die neue Woche. Der Laib soll einen guten Start wünschen.“ Berliner kriegen das Brot allerdings (wie alle anderen Produkte vom Werkhof) nur am Donnerstag, auf dem Bauernmarkt am Wittenbergplatz. In der Schorfheide, der Müritz und dem Oderhaff liefert Klann samstags selbst aus, an einzelne Kunden, die per Mundpropaganda vom Werkhof gehört haben.

Ist die Scheune einmal komplett wiederhergerichtet, werden auf dem Hof außerdem eine Holzwerkstatt und eine Weberei Platz finden. An besonderen „Werktagen“ sollen auch andere Handwerker ihr Wissen vorführen und weitergeben. Ein Schnitzer ist bereits gefunden, und ein Schmied soll zeigen, wie er ein Wagenrad aufzieht. Barden und Märchenerzähler werden noch gesucht. Damit wollen Busch und Klann Interesse an der Schorfheide wecken und einen Impuls für sanften Tourismus setzen.

Werkhof Ringenwalde, Dorfstr. 13, 17268 Ringenwalde, Tel.: 039 881/490 91, Fax: 490 02.