: Hitwunder
■ Ein nettes Lied, und schon auf Tournee: Bananafishbones und Liquido live in Berlin
„Diese Lied ist der Grund, warum wir heute hier sind“, spricht der junge Mann ins Mikrofon und grinst. Glockenspiel, Einsatz für Gitarre und Schlagzeug: „Come to sin“, der Song aus dem C&A-Fernseh-Spot. Die das Lied zur Werbung gemacht haben, waren am Montag im ColumbiaFritz – die Bananafishbones. Donnerstag spielten dann am selben Ort Liquido aus Heidelberg. Das sind die mit dem Lied, das wie ein halber Keyboard-Riff von Van Halen klingt und „Narcotic“ heißt.
One Hit Wonder, sagt man da. Das ist der Terminus für Bands, die sich für kurze Zeit mit einer glücklichen Melodie ins Rampenlicht spielen. Denn neben den Dauerbrennern braucht eine Branche, die ohne ständige Hypes keine Konsumbereitschaft wecken kann, monatlich Neues. Die Wunder des einen Hits sind da ideales Futter: Immer neu und damit interessant, kann man ihnen stets den Beginn einer großen Karriere prophezeien – die Einstufung als Eintagsfliege kommt erst später.
Der kurze Ruhm einer jungen Combo ist da oft reiner Zufall des Marktes: Letztes Jahr machten vier Jungs ein nettes Popliedchen. Die Musikzeitschrift Visions fand's gut. Der Song wurde auf den CD-Sampler gebrannt, der dem Heft beiliegt. Visions bemühte sich nach Kräften, die Jungs aus Heidelberg um ein Wort herum hochzustilisieren, das diese mal in einem Interview hatten fallen lassen: Pullunder-Pop, „wir wollen den Pullunder in Europa wieder gesellschaftsfähig machen“.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Plattenindustrie darauf ansprang: Virgin schnappte sich Liquido, und auf die Single „Narcotic“ folgte im Januar das Album. Hastig und uninspiriert produziert, weil, wo man eine Single verkaufen kann, auch Marktpotential für die LP ist.
Wichtig ist es dann, dazu ein Video im Musikfernsehen zu plazieren. Schon manche Entdeckung von Viva-Chef Dieter Gorny wurde so zum Liebling für einen Sommer, wie momentan die Guano Apes. Das hilft beiden. So lautete die wichtigeste Frage der Vorgruppe der Bananafishbones, die sich Stone the Crow nennt: „Kennt ihr denn schon unser Video?“ Und als das Auditorium dies nicht sofort bejaht, setzt der Frontmann nach: „Dann müßt ihr mehr Viva schauen!“ Für die Hauptgruppe bei so einem Liederabend ist die Verwertungskette dann schon umgekehrt: Im TV gesehen, Platte gekauft, Konzert besucht, vielleicht noch ein Leibchen mit Logo gekauft – fertig, nächste Band. Wer erinnert sich zum Beispiel noch an Fool's Garden, das Kraut-Pop-Projekt, das vor zwei Sommern vom „Lemon Tree“ sang?
Dumm nur, wenn man für den Moment des Erfolges nicht genügend auf dem Kasten hat. Liquido spulen im wesentlichen ihr Album ab, ohne Sinn und Verstand für Dramaturgie oder Arrangement. Nicht nur ein Song klingt ganz ähnlich wie der, mit dem die Heidelberger berühmt geworden sind. Das gemischte jugendliche Publikum, vom beohrringten Oberlippenbartträger über Knaben mit V-Ausschnitt-Sweatern zu kreischenden Mädchen, läßt sich durch Tricks aus der Mottenkiste der Popmusik begeistern. Kurze Pausen, in denen man dem Refrain entgegenfiebert, ansteigende Tonartwechsel, wenn das Lied eigentlich ausgelutscht ist, und immer wieder die Parole des Abends: „Berlin, wir wollen Eure Hände sehen.“ Als letzte Zugabe spielen Liquido ihre aktuelle Single, nein, die heißt nicht „Narcotic“.
Stefan Schmitt, 22, zur Zeit Kultur-Praktikant, taz-Ehemaliger der Zukunft
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