: Ein Kaminzimmer allein für Frauen
■ In Berlin trafen sich illustre Damen, um eine Akademie nur für ihr Geschlecht zu gründen
„Als es um einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten ging, da hätten die Frauen die Tür zum Kaminzimmer zumachen müssen und sagen ... : 'Hey Jungs, den Posten kriegen wir!‘“ Deutliche Worte von Alice Schwarzer im Saal des Grand Hyatt. Mit ihr über 400 Frauen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden, die sich am Samstag in Berlins Mitte zum Gründungskongreß der Europäischen Frauenakademie zusammenfanden, wissen um ihr Dilemma: Sie gehören zwar zum „illustren Karrierekreis“ (Schwarzer), doch ihr Einfluß hält sich in Grenzen.
Das zu ändern ist das Ziel der Europäischen Akademie für Frauen (EAF). Als „Machtzentrum“ will sie Forum sein für Frauen in Führungspositionen und Bildungsstätte für den weiblichen Nachwuchs. Das sprichwörtliche Kaminzimmer also, in dem Seilschaften gebildet werden. Der gemeinsame Nenner: Moderne Frauenpolitik ist Familienpolitik. Und: Ziel der Frauen sei es, daß die nächste Generation genügend Aufmerksamkeit bekomme, denn Kinder seien das höchste Gut der Gesellschaft. Rita Süssmuth ging einen Schritt weiter: „Die Frage der Frauen ist die Frage der Menschheit.“ Und die sei durchaus im Interesse der Männer gestellt, meinte die EAF-Vorsitzende Barbara Schaeffer-Hegel.
Um diese Politik durchsetzen zu können, bietet die EAF ab Sommer 1999 eine Reihe von Seminaren und Trainings an: Führungsschulungen und Konflikttraining ebenso wie Tips zur Präsentation in den Medien und Hilfen zur Streßbewältigung. Der Grundgedanke: Frauen in Führungspositionen aus verschiedenen Bereichen können hier neue Kontakte knüpfen und Netzwerke gründen. Auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung ist die Akademie schon seit Juli 1997 in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin tätig. Ein Programm zum Beispiel unter dem Titel „It's Your Turn“ lädt Schülerinnen im Alter zwischen 16 und 18 zu einem Politik-Workshop nach Berlin ein. Spaß und Lust sollen sie bekommen, sich politisch zu beteiligen. Finanziert wird das ehrgeizige Programm durch Land, Bund und Mittel aus der EU sowie durch Mitgliedsbeiträge aus dem EAF-Förderverein und SponsorInnen.
Braucht es da noch eine Frauenquote? Die Förderung des Selbstbewußtsein bleibt das wichtigste Prinzip der Frauenpolitik. Am 23. Mai, einen Tag vor der Wahl des Bundespräsidenten, wollen die Gründerinnen der EAF eine Liste mit hundert Frauennamen präsentieren. „Viel zu spät“, befürchtet Barbara Schaeffer-Hegel. Anja Brockmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen