: Atomlobby will diktieren, nicht reden
■ Erst wenn neue Atomtransporte genehmigt und die Steuerfragen geklärt sind, will die Energiewirtschaft an der Verhandlungstisch
Berlin/München (taz/dpa) – Die Energiewirtschaft will über die Zukunft der Atomkraft erst verhandeln, wenn die wichtigsten Fragen vorab in ihrem Sinne geklärt worden sind. Das ist die Bedingung, die der Sprecher der Energieversorgungsunternehmen (EVU), Heinz Klinger, für die Wiederaufnahme der Konsensgespräche gestellt hat. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus erklärte Klinger, die Gespräche würden erst fortgesetzt, wenn der Streit mit der Regierung über die steuerlichen Rückstellungen der Branche restlos geklärt sei. Außerdem müßten vor den Gesprächen neue Atomtransporte genehmigt sein. Auch mit dem Bau von zentralen Zwischenlagern an den AKW-Standorten werde erst begonnen, wenn der gesamte Energiekonsens ausgehandelt sei.
Die Anträge für neue Atomtransporte wollen die AKW-Betreiber in den nächsten Wochen stellen. Die ersten Castor-Behälter sollen aus dem AKW Stade rollen, die Lager in Phillipsburg, Neckarwestheim und Biblis seien ähnlich gefüllt. Die Genehmigungen „brauchen wir in den nächsten Wochen“, so Klinger. „Wir haben von unserer Seite alle Voraussetzungen erfüllt.“
Das bestritt der Sprecher des Bundesumweltministeriums, Michael Schroeren. Die Unterbrechung der Atommülltransporte „geht auf Versäumnisse der Atombetreiber zurück“. Der Vertrauensverlust durch die Verschleierung von strahlenden Transporten lasse sich nicht „mit markigen Forderungen nach neuen Transportgenehmigungen zurückgewinnen“. Konsensgespräche hätten den Sinn, strittige Fragen einvernehmlich zu klären. „Ultimaten sind das Gegenteil von Konsens“, so der Sprecher des grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin.
Im März hatte die Atomwirtschaft im Streit um die finanziellen Rückstellungen die Konsensgespräche verlassen. Die Konzerne wehren sich dagegen, auf ihre bisher steuerfreien Rücklagen von insgesamt 74 Milliarden Mark für den Abriß und die Entsorgung von Atomkraftwerken Steuern zu zahlen. Das Bundesfinanzministerium taxiert die fälligen Steuern auf 13 Milliarden Mark.
Inzwischen holte sich Umweltminister Trittin für die Verzögerung der Transportgenehmigungen die Rückendeckung von ungewohnter Seite: Bei einem Gespräch am Freitag sicherte er der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu, es werde erst wieder Transporte geben, wenn Gesundheitsgefahren für die begleitenden Polizisten ausgeschlossen seien. bpo
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