piwik no script img

Hetzjagd auf Ost-Timoresen

Mindestens 30 Menschen starben am Wochenende in der von Indonesien annektierten Provinz. Kräfte in der Armee wollen die Unabhängigkeit um jeden Preis verhindern  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Die Terrorwelle in Ost-Timor hat an diesem Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht: Mindestens 30 Menschen starben, als Tausende pro-indonesische Milizen Jagd auf Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung machten. Untätig sahen Militärs und Polizisten zu, als bewaffnete Banden am Samstag durch die Straßen der Hauptstadt Dili zogen, gezielt Häuser in Brand setzten und deren Bewohner ermordeten oder verschleppten.

Damit wird immer deutlicher, daß starke Kräfte in der Armee die Unabhängigkeit der Region mit allen Mitteln verhindern wollen. Die Chancen für die geplante freie Abstimmung über die Zukunft Ost- Timors, die im Juli von der UNO organisiert werden soll, sinken. In seiner bislang schärfsten Kritik an der indonesischen Regierung erklärte UNO-Generalsekretär Kofi Annan, er „bedauere die offenkundige Unfähigkeit der indonesischen Behörden, die Gewalt der Milizen zu kontrollieren und die Zivilbevölkerung zu beschützen“. Die außenpolitische Sprecherin von Präsident J.B. Habibie gab zu, daß die Regierung für die Geschehnisse Rechenschaft ablegen müsse: „Es ist wahr, es ist unsere Verantwortung, weil wir die einzigen sind, die da sind“, sagte Dewi Fortuna Anwar.

Die portugiesische Regierung forderte, UNO-Kräfte nach Ost- Timor zu entsenden. Portugal, bis 1975 Kolonialmacht Ost-Timors, wird von der UNO bis heute als rechtmäßiger Verwalter der 1976 von Indonesien annektierten Region betrachtet.

Die Angriffe vom Wochenende waren offenkundig sorgsam geplant: Am Vormittag kursierten Listen mit den Namen und Adressen der Opfer. Auf dem Platz vor dem Gouverneurspalast hetzte Milizenchef Eurico Guterres die rund 3.000 Männer auf, die mit Macheten, selbstgebastelten Gewehren und rotweißen Stirnbändern in der Farbe der indonesischen Nationalflagge erschienen waren: „Ich befehle allen Milizen, die für die Integration [in Indonesien] sind, eine Säuberung gegen alle Verräter durchzuführen“, rief der Bandenchef: „Fangt und tötet sie, wenn nötig.“ Zu den Gästen der Kundgebung zählten sowohl der von Jakarta eingesetzte Gouverneur Abilio Soares als auch die Chefs der Armee- und Polizeieinheiten von Ost-Timor. Auch andere hohe indonesische Militärs sollen zugegen gewesen sein.

Hunderte Männer stürmten später in das Haus des prominenten Unabhängigkeitsbefürworters, Manuel Carrascalao, bei dem 150 Flüchtlinge Schutz gesucht hatten. Ein Sohn Carrascalaos kam ums Leben. Die Milizen verprügelten zwei Journalisten, die sich ebenfalls in dem Gebäude aufhielten, und konfiszierten Filme und Kassetten aus ihrem Hotel.

Eine Handgranate verwüstete derweil das Gebäude der einzigen ost-timoresischen Zeitung Suara Timor Timur. Zerstört wurde auch das Büro einer lokalen Menschenrechtsorganisation. Auch Nonnen und Mitglieder der wenigen in Ost- Timor arbeitenden ausländischen Hilfswerke wie das Roten Kreuz wurden von Milizen bedroht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen