: Kleinkrieg um das Friedensmal
In Groß Borstel wird nach jahrelangem Streit ein „Nachdenkmal“ errichtet. GegnerInnen demonstrieren an der Baustelle ■ Von Hajo Schiff
Luftschläge heißt es und Krieg meint es. Rot und Grün müssen als Regierung für die Bomben auf den Balkan eine Verantwortung tragen, deren Vision sie nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen plagte. Dagegen ist der Kampf um das richtige Kriegsgedenken in Groß Borstel eher eine Bagatelle. Dennoch vermeiden es weder Förderer noch Gegner des „Nachdenkmals“ zum Kriegerdenkmal von 1922, in ihren Stellungnahmen diesen aktuellen Zusammenhang zu betonen. Denn gestern, nach mehr als dreijähriger Auseinandersetzung und just an dem Tag, an dem der Bundestag in den Berliner Reichstag umzog, wurde unter den Augen des stolzen Reichsadlers am Licentiatenberg endlich mit den Erdarbeiten für das Projekt „Schützengraben – Soldatengrab“ begonnen.
Steinerne Heldenmäler ließe man am besten still und leise vor sich hin altern, bis ihre Aktualität verbraucht ist und sie nur noch von Geschichte raunen. Doch soweit ist es leider noch nicht: Denn nicht nur liest sich im ersten Krieg der neuen Bundesrepublik die alte Inschrift „Niemand hat größere Liebe, denn die, dass er sein Leben lässet für seine Freunde“ verwirrend, auch wüten seit Jahren rechtsgerichtete Kreise gegen jede Relativierung des martialischen Denkmals. So versammelte sich zum gestrigen Baubeginn denn auch die kleine Schar um den rechtskonservativen Heinz Böhmecke, die seit langem das kommentierende „Nachdenkmal“ des Hamburger Künstlers Gerd Stange verhindern will – mit populistischen Argumenten wie denen, daß das Geld besser für Ampelanlagen oder Flüchtlinge auszugeben sei.
Stange wird, wie SPD und GAL in der Bezirksversammlung beschlossen haben, den Blick auf das Kriegerdenkmal von der heilen Veteranenwelt unter die Erde verschieben. Wie in einer Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte Anfang 1996 dargestellt, soll es möglich werden, aus einem zwei Meter tiefen Schützengraben am Rande des Berges den Blick mittels Periskop auf die Symbole der Macht zu richten – eine düstere und sehr konkrete Ergänzung der Historienglorie durch „Geschichte von unten“.
Gebaut wird das Nachdenkmal zusammen mit Schülern, die ihre Projektwoche zu dem Thema gestalten. Besonders gelungen dabei ist, daß mit dem hinzugefügten Schützengraben gleich eine Denkmaltrilogie entsteht. Denn der Licentiatenberg ist ein Grabhügel aus der Bronzezeit und steht unter Denkmalschutz.
Insgesamt könnte Hamburgs zweites künstlerisch kommentiertes Kriegermal besser funktionieren als das am Dammtor. Der dortige „Kriegsklotz“ wurde, ebenso wie das in Groß Borstel, von Richard Kuöhl entworfen, und wurde etwas unglücklich mit einem „Gegendenkmal“ gepaart, das der österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka leider nicht fertigzustellen in der Lage war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen