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Scharfe Kritik an Nato-Information

■ Norwegens Außenminister läßt kein gutes Haar an den Brüsseler „Falschinformationen“. Der Wissensstand über den Angriff auf den Flüchtlingskonvoi ist weiter ungenügend

Oslo/Berlin (taz) – „Diese Art von Falschinformationen ist völlig unakzeptabel!“ Mit dieser ungewöhnlich scharfen Kritik läßt Norwegens Außenminister Knut Vollebaek am Dienstag in einem Gespräch mit derTageszeitung Aftenposten kein gutes Haar an der Informationspolitik der Nato speziell in Sachen des bombardierten Flüchtlingskonvois von Djacovica. Vollebaek, zur Zeit turnusmäßig OSZE-Vorsitzender, teilte außerdem mit, er habe den Nato-Botschafter Norwegens angewiesen, seine Kritik beim Nato-Hauptquartier vorzutragen und auf eine Änderung dieser Politik hinzuwirken.

Vollebaek erklärte, er sei „hinters Licht geführt worden“ und habe auch intern keine anderen, als die der Presse gegenüber ausgestreuten Falschinformationen bekommen. Es sei von außerordentlicher Bedeutung für die Glaubwürdigkeit der Nato, daß deren Informationen an die Öffentlichkeit korrekt seien.

General Fredrik Bull-Hansen, norwegischer militärischer Oberbefehlshaber, teilt dieseKritik : „Das hat der Nato geschadet.“ Gleichzeitig zeige die Affäre aber, wie schwer die Nato es habe, zu lügen. Die Medien hätten bessere Überprüfungsmöglichkeiten als beispielsweise im Irak-Krieg: „Der Versuch, mit Lügengeschichten zu verschleiern, schadet mehr als er nutzt. Braucht man solche Lügen systematisch, begibt man sich nur auf die Ebene des Gegners.“

Was wissen wir über den Angriff auf den Konvoi?

Der britische Guardian faßte gestern den Wissenstand nach der letzten Nato-Pressekonferenz zu dem Angriff auf Flüchtlinge präzise zusammen:

Nato-US-F-16-Flugzeuge bombardierten am letzten Mittwoch Ziele entlang der Straße nördlich und südlich von Djakovica.

Die Angriffe entsprachen den Darstellungen, die das serbische Fernsehen zeigte.

Mit Flüchtlingen besetzte Traktoren waren unter den zerstörten Fahrzeugen.

Die Angriffe wurden abgebrochen, damit Nato-Flugzeugbesatzungen auf Treffer-Erkundungsflug nachprüfen, ob Zivilisten gefährdet seien.

Welche Antworten dazu stehen noch aus?

Gab es irgendwelche serbischen Militärfahrzeuge? In den Fernsehbildern letzter Woche war keines zu sehen. Die Nato sagte, die Fahrzeuge müßten weggeschafft worden sein, bevor das TV-Team kam.

Was ist mit den Opfern? Die Serben behaupten, daß mehr als 80 Menschen getötet wurden. Die Nato sagt, Zahlenangaben über Opfer seien ihr nicht möglich.

Waren serbische Kräfte für Tötungen verantwortlich? Flüchtlinge sagten aus, sie seien aus tieffliegenden Maschinen angegriffen worden.

Die Nato sagt, solche Angriffe müßten von serbischer Seite gekommen sein, da alliierte Flugzeuge in großer Höhe flogen. Reporter, die zum Ort des Vorfalls gebracht wurden, haben angegeben, einige der Toten schienen durch Maschinengewehrfeuer gestorben zu sein. Die Nato sagt, ihre Maschinen hätten keine derartigen Waffen benutzt.

Gab es eine Kommunikationspanne? Die Nato gab zu, daß „Harrier“-Piloten gewarnt hätten, in den Konvois seien Zivilisten.

War die Ursache ein Piloten- oder Systemfehler? Die Nato betonte, daß Piloten schnell entscheiden müßten aufgrund von Bildern, die auf einem Videobildschirm von rund 30 Quadratzentimetern Größe erschienen. Reinhard Wolff/ci

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