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Abschied, wenn es am schönsten ist

■ Trainer Lance Nethery und ein Großteil der Mannheimer Adler verweigern sich dem Neuanfang, wollen aber noch mal Meister werden

Mannheim (taz) – Egal, ob die Mannheimer Adler nun zum dritten Mal in Folge den Titel der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) holen oder nicht: Für ihren Trainer Lance Nethery ist Schluß. Weil er keine Lust hat, wieder da anzufangen, wo er 1995, als er kam, begonnen hat. Ein Denkmal hat sich der Mann aus Atlanta seitdem gesetzt, gleich, ob er als zwei- oder als dreifacher Meister geht.

Nach vier erfolgreichen Jahren ist nun das Ende nahe. Nethery läßt von sich aus seinen Vertrag in Mannheim auslaufen. Dort löste Eishockey, auch zu Zeiten, als noch MERC auf den Trikots stand, nie solche Begeisterung aus wie in diesen vier Jahren. Warum dann die Veränderung?

Nach dem Finanzdesaster im letzten Jahr herrschen zwischen Rhein und Neckar neue Machtverhältnisse. Das Sagen haben nicht mehr die sportlich Verantwortlichen Marcus Kuhl und Lance Nethery, sondern der Software-Gigant SAP aus Walldorf. Dessen Boss Joachim Hopp hat die Adler damals gerettet, und jetzt fordert Hopp eine Besinnung. Und das heißt abspecken, Spieler austauschen, junge deutsche Talente einbauen, kleinere Brötchen backen.

Auch ein möglicher Titel-Hattrick gegen die Ice Tigers aus Nürnberg wird daran nichts ändern. Zu düster sah es aus vor knapp einem Jahr, als die süchtigen Adler-Fans sich kaum in Urlaub zu fahren getrauten, aus Angst, sie kämen wieder und es gäbe keine Adler mehr. Aber als die Show gerettet war, zeigten sich auch schnell Abnutzungserscheinungen. Einige Spieler benahmen sich daneben, die Zuschauer blieben einige Male aus Protest weg, worauf Herr Hopp der Mannschaft mit Liebesentzug drohte. Anfang März wurde der völlig ausgeflippte französische Stürmer Christian Pouget gegangen, weil er Gegenspieler tätlich angegriffen und sich mit Marihuana erwischen hatte lassen.

Rechtzeitig zu den Play-offs war die Moral der Adler wieder da und die Zuschauer auch. Nach der glatten 3:0-Serie gegen die Landshut Cannibals wurden auch die Berliner Eisbären mit 3:1 geschlagen. Blieben also nur noch die Nürnberg Ice Tigers. „Die werden kämpfen wie die Löwen“, hatte Nethery vor der Serie vorausgesagt. Daß es höchstens noch eine Handvoll Spiele für ihn mit seinen Adlern sind, das merkt man ihm nicht an. Seine Gefühle versteckt er hinter neu formulierten gemeinsamen Zielen: „Die Möglichkeit, dreimal hintereinander Meister zu werden, hat nicht jeder Trainer und nicht jeder Spieler.“ Es muß ihn deshalb geärgert haben, daß seine Spieler ihre Chancen im 1. Finale nicht nutzten und in der Verlängerung mit 1:2 unterlagen. Im ersten Heimspiel am Dienstag im Mannheimer Friedrichspark sollte so etwas nicht noch mal passieren. Gerade 189 Sekunden war der Puck freigegeben, als Pavel Gross eine Überzahl der Adler zum 1:0 nutzte. Die chancenlosen Ice Tigers wurden vor allem im ersten Drittel das Opfer ihrer Disziplinlosigkeit. In der 13. Minute legte Gordon Hynes Jan Alston auf, der Torhüter Andrzej Mezin den Puck durch die Schoner jagte – 2:0. Wieder war ein Mannheimer mehr auf dem Eis. Nur für kurze Zeit durften sich die Ice Tigers leise Hoffnungen auf die Wende machen. Nach dem 3:0 im zweiten Drittel durch Philippe Bozon kamen die Nürnberger auf 3:1 heran, doch am Ende sicherten Mike Stevens und Jason Young den 5:1-Sieg.

Morgen im Nürnberger Linde- Stadion werden die Adler dann vor Selbstbewußtsein strotzen und alles dafür tun, um die Basis zu bereiten für ein finales Eisfest am Sonntag in Mannheim. Nach der Dienstagsgala scheinen kaum Zweifel zu bestehen, daß dies so kommen wird. Und nicht nur für Lance Nethery wäre dieser Titel ein schönes Abschiedsgeschenk, auch für die Spieler, die sich, bis auf wenige Ausnahmen, in alle Himmelsrichtungen zerstreuen werden. Für die Fans der Adler aber heißt es umdenken, denn der neue Trainer, Chris Valentine, muß von vorne anfangen und ein neues Team aufbauen. An Lance Nethery, der über seine berufliche Zukunft noch nicht entschieden hat, werden dann alle mit viel Wehmut zurückdenken, denn so schnell werden im Mannheimer Friedrichspark keine Meistergesänge mehr erklingen. Günter Rohrbacher-List

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