Sonderweg zu Ende

■ Die Telekom empfiehlt ihren Btx-Kunden, auf das Internet umzusteigen

Eine Ära, die in Deutschland Online-Geschichte geschrieben hat, neigt sich dem Ende. T-Online, mit 2,8 Millionen Mitgliedern nach AOL der zweitgrößte Internetanbieter der Welt, wird mit Ablauf des Jahres sein Inkassosystem, auch Mikropayment genannt, einstellen.

Praktisch bedeutet das das Aus für den seit langem vor sich hin dümpelnden Telekom-Dienst „T-Online-Classic“, besser bekannt unter der früheren Bezeichnung „Bildschirmtext“ (Btx). Den Btx-Anbietern, die sich ihre Leistungen bisher per Mikropayment bezahlen ließen, rät die Telekom, auf den Internetservice umzusteigen. Das Mikropayment sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es dazu bei der Telekom. Mit dem Mikropayment konnten Btx-Anbieter einen bisher einmaligen Service der Telekom nutzen: Im Auftrag des Anbieters stellte die Telekom ihren Kunden mit der Telefonabrechnung die Gebühr für die genutzten Angebote in Rechnung. Einzige Begrenzung: Der Seitenpreis oder die zeitabhängige Nutzungsgebühr mußte zwischen 0,01 und 9,99 Mark betragen.

Im Internet müssen die Anbieter hingegen selbst dafür sorgen, daß sie zu ihrem Geld kommen. Von Traurigkeit ist bei den Btx-Anbietern nichts zu spüren. Der einst hochmoderne Onlinedienst sieht heute spartanisch aus, und der Versuch der Telekom, mit einer grafischen Oberfläche namens „KIT“ wenigstens ein bißchen mehr Bedienungskomfort zu vermitteln, kam zu spät.

Die Kunden begannen schon mit Netscape zu surfen – ironischerweise gelten heute die 16 VGA-Farben des alten Btx-Bildschirms als besonders schick. „Wir setzen schon seit langen auf das Internet“, sagt Sabine Klehm, Sprecherin bei dem Datenbankanbieter Genios. Von den insgesamt 500 Datenbanken, unter anderem mit Wirtschaftsinformationen oder Pressearchiven, die bei Genios durchforstet werden können, sind sowieso nur noch 100 im Btx-Dienst vertreten. „Der Umsatz im Btx-Bereich sinkt stetig“, meint Sabine Klehm.

Die gleiche Auskunft erhält man bei der Firma Hoppenstedt, die mit Firmenporträts, Finanz- und Börseninformationen ihr Geld verdient: „Die Einstellung des Btx-Dienstes wird uns jetzt nicht mehr treffen. Vor zwei Jahren sah das noch anders aus.“

Einen besonderen Service des Btx-Dienstes wird die Telekom aber vorerst auch weiterhin anbieten. Das Online-Banking bleibt erst einmal bestehen. „Der Classic-Bereich seht ja auch für Sicherheit“, sagt T-Online-Sprecher Jörg Lammers. Zu folgern ist daraus: Seine Rechnungen über das Internet zu bezahlen ist eben doch noch mit weitaus mehr Unwägbarkeiten behaftet. Wolfgang Löhr