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Die Pizza-Knödel-Connection

Die Deutsche Telekom und Telecom Italia streben endgültig eine Fusion an. Probleme gibt es noch mit der EU-Kommission und der France Telecom  ■   Von Reiner Metzger

Die beiden alten Kämpen wollen es wirklich wagen: Spät am Dienstag abend hatte die Telecom Italia bekanntgegeben, sie wolle zusammen mit der Deutschen Telekom in den Kampf um die sagenhaften Reichtümer des weltweiten Telekommunikationsmarktes ziehen. Damit würde sowohl nach Börsenwert als auch nach Festnetzverbindungen die größte Telefonfirma der Welt entstehen. Nur bei den Auslandsgesprächen werden die beiden von einem anderen Riesen geschlagen, dem ehemaligen US-Monopolisten AT&T.

„Size matters“, Größe zählt, sagen die Amerikaner. Das neue Duo wird nach diesem Maßstab das Gefüge der Branche ändern. Die künftige Pizza-Knödel-Connection wird Dutzende Millionen Kunden ihr eigen nennen, die im vergangenen Jahr einen gesammelten Umsatz von knapp 59 Milliarden Euro einbrachten. Die Aktien kosten nach Börsenwert etwa 330 Milliarden Mark – wobei die Deutsche Telekom mit 106 Milliarden klar größer ist als die TIT mit einer Marktkapitalisierung von 61 Milliarden Euro.

Für die Branchenbeobachter liegt die Sensation aber weniger in der Größe des Deals. Erstmals wollen zwei ehemalige Staatsgesellschaften in Europa fusionieren. Das hatte bisher niemand in der Branche für möglich erachtet. „Die Schleusen sind geöffnet, und das Wasser strömt herein“, zitiert beispielsweise das Wall Street Journal den Telekommunikations-Banker Jim Cantwell. Cantwell meint, daß nun weitere Großfusionen dieser Art in Europa angedacht würden, auch wenn die Firmenehe zwischen Deutscher und Italienischer Telekom noch scheitern sollte.

Und das ist in diesem Fall nicht ausgeschlossen. Nicht nur weil bei solchen Riesenfusionen im Laufe der Verhandlungen allerhand Leichen in den Bilanzkellern auftauchen und zu Streit führen können. Häufig geraten auch die bisherigen Konzernchefs bei der Frage nach der Verteilung der neuen Vorstandsposten aneinander.

An der Deutschen Telekom stört die Italiener besonders, daß fast drei Viertel der Aktien noch beim deutschen Staat liegen. Die nach allerhand politischen Mühen privatisierte Telecom Italia würde deshalb nach Auffassung der italienischen Regierung wieder „verschleiert verstaatlicht“, und zwar unter der Obhut einer ausländischen Regierung. Das läßt sich Parlament und Wirtschaftsverbänden nur als suboptimal verkaufen.

Trotzdem will Telecom-Italia-Chef Franco Bernabe aber die Fusion – weil er sonst vom viel kleineren Konkurrenten Olivetti übernommen wird. Der hatte in den letzten Wochen weit über 100 Milliarden Mark für TIT geboten.

Eine Lösung für die Sorgen der Italiener wäre, daß die Bundesregierung einen Teil ihrer T-Aktien schnell verkauft. Dem stehen allerdings öffentliche Versprechen gegenüber, die Anteilsscheine nicht vor nächstem Jahr loszuschlagen.

Der zuständige Verwaltungsrat der TIT fordert trotzdem, die Bundesregierung solle erklären, wie sie ihre Stimmrechte an dem neuen Konzern begrenzen wolle. Aus Bonn war dazu bisher noch keine verbindliche Stellungnahme zu erhalten. Ein schneller Aktienverkauf des Bundes würde jedoch die Pläne von Telekom-Chef Ron Sommer durchkreuzen: Er will noch in diesem Jahr bis zu zehn Milliarden Mark durch die Ausgabe eigener neuer Aktien (nicht zu verwechseln mit den schon bestehenden Bund-Aktien) in seine Kassen bringen. Mehr T-Aktien könnte der Markt in einem Jahr nicht schlucken, ohne den Kurs an den Börsen rasant nach unten zu treiben.

In der Suche nach Kapital liegt für Sommer wohl auch der Sinn der Ehe: Die TIT ist vergleichsweise schwerfällig und kämpft ebenso wie die Deutsche Telekom gegen ihr schlechtes Image. Doch zusammen sind die beiden so groß, daß sie per Aktientausch oder gar per Kreditaufnahme auch auf dem größten Telefonmarkt der Welt auf Einkaufstour gehen können – in den USA, wo die Unternehmen sitzen, die bei neuen Techniken und Trends besser sind als die europäischen Ex-Staatsbetriebe.

Sobald sich die Regierungen und die Vorstände geeinigt haben, ist die EU dran. Wettbewerbskommissar Karel van Miert dürfte die Großfusion genauestens unter die Lupe nehmen. Zu hören ist, daß die Telekom ihre Beteiligung an den italienischen Netzbetreiber Wind wohl abstoßen müßte. Auch in Österreich gäbe es Überschneidungen, die eventuell über Verkäufe bereinigt werden müßten.

Das Hauptproblem bleibt aber wohl doch ein politisches: Kann es sich die Bundesregierung leisten, die Franzosen zu verprellen? Denn völlig überrascht wurde nach allem, was man weiß, der bisherige Hauptpartner der Deutschen Telekom, die France Telecom. Mit dem ehemaligen Staatsmonopolisten aus Paris ist die Telekom über eine Zwei-Prozent-Beteiligung über Kreuz verflochten. Außerdem haben beide viele Projekte gemeinsam begonnen – den internationalen Carrier Global One wie auch den Martkeintritt in Italien, Großbritannien und die Schweiz. Wie der Partner und auch die französische Regierung auf die Brüskierung reagieren, wird eines der spannendsten Kapitel bei der anstehenden Fusion werden.

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