: Rußland startet diplomatische Initiative
■ Kosovo-Beauftragter Tschernomyrdin will heute nach Belgrad, Außenminister Iwanow legt Leitlinien für ein Ende des Krieges vor
Rußland bereitet offenbar eine neue Initiative zur Beilegung des Krieges auf dem Balkan vor. Heute will der russische Jugoslawien-Sonderbeauftragter, der frühere Regierungschef Viktor Tschernomyrdin, zu Gesprächen nach Belgrad fliegen. Gleichzeitig wurde gestern in Moskau offiziell mitgeteilt, daß Rußland zu den Jubiläumsfeiern der Nato in Washington an diesem Wochenende keinen Vertreter entsenden wird.
Der russische Außenminister Igor Iwanow hat „Leitlinien“ für eine Beendigung des Kosovo-Konflikts vorgelegt. Dazu zählte Iwanow in einem Beitrag für die Zeitung Le Monde die sofortige Einstellung aller Militäraktionen sowie eine „sichere“ Rückkehr der Flüchtlinge. Die Umsetzung der Vorschläge werde „natürlich“ eine internationale Präsenz im Kosovo notwendig machen, deren Ausmaß und Aufgaben aber noch festgelegt werden müßten. Der Außenminister bekräftigte zugleich die Forderung, Belgrad müsse einem derartigen Einsatz zustimmen.
Zu den Leitlinien zählte Iwanow auch ein „Ende von Gewalt und Unterdrückung“. Zudem müßten sich die „überzähligen“ serbischen Kräfte aus dem Kosovo zurückziehen. Bedingung sei auch, daß die Nato ihre in Makedonien und Albanien stationierten Einheiten von der jugoslawischen Grenze entferne. Ferner sprach sich Iwanow für einen „freien Zugang für humanitäre Organisationen“ sowie die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Belgrad und Kosovo-Albanern über eine „weitreichende Autonomie“ aus. Schließlich sollte sich die internationale Gemeinschaft nach Ansicht Iwanows am wirtschaftlichen Wiederaufbau Jugoslawiens – das Kosovo eingeschlossen – beteiligen.
Über den Zweck seiner Reise machte Tschernomyrdin gestern keine Angaben. Daher blieb unklar, ob er in Belgrad ein konkretes Angebot zur Beilegung des Konflikts unterbreiten oder die Lage sondieren wollte. Der von Präsident Boris Jelzin zum Jugoslawien-Sonderbeauftragten ernannte Tschernomyrdin hatte zuvor Georgien, Aserbaidschan und die Ukraine besucht, um mit diesen Mitgliedern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) eine einheitliche Linie zur Lösung des Balkankonflikts abzusprechen. Nach Beendigung seiner Gespräche in der ukrainischen Hauptstadt Kiew kündigte er gestern vormittag an, daß Rußland mit den GUS-Staaten gemeinsame Aktionen zur Konfliktlösung vorbereite, darunter auch „die Teilnahme an einem Friedenseinsatz“ am Balkan. Nähere Einzelheiten zu einer Lösung teilte er nicht mit. dpa/AFP/AP
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