: Honigtröpfchen
Von Wespen und Theatermachern: der Kampf der kleinen Hamburger Häuser um die Fördermittel ■ Von Kristina Maroldt
Es geht ums Überleben. Am grauen Montagmorgen des 12. April verkündet ein grauer Gunnar Dreßler, er wolle sein Theater in der Basilika schließen, falls die Kulturbehörde ihm nicht die schon lange versprochene Subventionserhöhung gewähre: „Wir brauchen 376.000 Mark,“ sagt Dreßler.
Eine Woche später: Es geht schon wieder ums Überleben. In einem Brief an Kultursenatorin Christina Weiss erklären die Leiter des English Theatre, Robert Rumpf und Clifford Dean, sie sähen sich außerstande, ihr Haus unter diesen Bedingungen weiterzuführen. „Wir wollen mindestens 500.000 Mark jährlich“, sagt Rumpf.
Nächste Woche: Diesmal geht es nur ums Weiterleben. Die Kammerspiele-Doppelspitze Ulrich Waller und Ulrich Tukur trifft sich mit Kultursenarorin Weiss, um über die Vertragsverlängerung bis 2002 zu verhandeln. Bedingung der beiden Ullis für ihr Bleiben: mehr Geld. „Im Gespräch sind 500 000 Mark,“ sagt Kulturbehördensprecher Ingo Mix.
Es ist der alte Kampf ums Geld, um die Verteilung von raren Ressourcen, den die Hamburger Privattheater derzeit mit neuer Wucht führen. Angesichts der plötzlichen Welle von Forderungen hat die Szenerie etwas von Futterneid an sich. Hat sich die Lage der Privattheater wirklich so drastisch verschlechtert?
Nein – da sind sich alle Beteiligten ausnahmsweise mal einig. Besser geworden sei die Lage allerdings auch nicht. „Die Situation war schon immer gespannt“, meint Gunnar Dreßler und nennt auch gleich den Grund für die Misere: „Es wurde in Hamburg seit langem versäumt, die Subventionen anzugleichen. Da gab es schon immer ein riesiges Ungleichgewicht.“
In diesem Punkt stimmt ihm die Behörde zu: „Das Fördersystem ist nicht gerecht“, gesteht Sprecher Ingo Mix ein. Das habe historische Gründe. „Vor zwei Jahren gab es deswegen ja schon einmal eine Diskussion. Wir haben damals alles auf den Prüfstand gestellt.“ Doch angesichts der offensichtlich guten Arbeit, die an den geförderten Theatern geleistet werden konnte, sei man zu dem Ergebnis gekommen: „Das System bewährt sich.“ Eine Umverteilung hält Mix auch aus anderem Grund für problematisch: „Wenn wir jetzt umverteilen würden, stünden die meisten Theater im Falle einer Kürzung am Rande ihrer Existenz.“
Seit 1994 hat sich das Rangeln der 14 geförderten Privattheater um den Etat der Kulturbehörde erheblich verschärft: Wegen des strengen Konsolidierungsprogramms wurden keine neuen Theater in das Förderungsprogramm aufgenommen, die bereits unterstützten Häuser erhielten keine zusätzlichen Gelder. Angesichts steigender Unterhaltskosten und wachsender Konkurrenz ist diese Einfrierung der Subventionshöhe allerdings bei vielen Privattheatern mit einer indirekten Kürzung der Gelder gleichzusetzen. Kein Wunder, daß sich die chronisch unterfinanzierten Theatermacher jetzt wie aggressive Wespen gebärden, wenn in all diesem Elend plötzlich und unverhofft ein Honigschälchen auf den Tisch gestellt wird: Mit immer lauterem Summen umschwirren sie den Etat des Theaters im Zimmer, der durch die Auflösung des Gmelin-Hauses frei zu werden schien – immerhin stolze 680.000 Mark.
Wohlgemerkt nur „schien“. Denn voraussichtlich wird Axel Schneider das Haus ab der kommenden Spielzeit neben seinem Altonaer Theater führen. Und das bedeutet, daß vom süßen Batzen höchstens ein kleines Tröpfchen übrig bleibt. Schneider: „Ich will die Tradition des Hauses fortführen und habe dafür aber ein eigenes Konzept entwickelt.“ 500.000 Mark Subventionen hat er dafür eingeplant.
Bei den leer ausgegangenen privaten Theatern herrscht Unverständnis über die Entscheidung, den Mann aus Altona das Haus übernehmen zu lassen. „Die Ära Gmelin ist nun mal vorbei,“ sagt Dreßler. „Das Theater im Zimmer ist jetzt nur ein leeres Gebäude“, findet auch Kollege Rumpf. „Man sollte lieber versuchen, die bestehenden Theater zu unterstützen.“ Das sei sinnvoller, als eine einmal aufgelöste Institution quasi neuzugründen.
Von den ursprünglichen 680.000 Mark bleiben im Fall der Übernahme durch Schneider immerhin 100.000, mit denen man den finanzschwachen Häusern unter die Arme greifen könnte. Eigentlich eine schöne Summe. Doch halt. Da sind ja noch die beiden Intendanten der Kammerspiele, die Weiss in der Stadt halten möchte und die mit der Forderung nach 500.000 Mark mehr Fördermitteln nächste Woche in die Verhandlungen einsteigen. Ob die Senatorin, um diese Summe aufzutreiben „ein anderes Theater schlachtet“, sei allein ihr Problem, ließ Ulrich Waller unlängst wenig diplomatisch im Hamburger Abendblatt verlauten.
Die Behörde beschwichtigt. Natürlich sei es zur Zeit das wichtigste Anliegen, die Kammerspiele und das Theater im Zimmer zu erhalten, gibt Mix zu, doch: „Wir wollen kein Theater opfern.“ Sobald man die Verhandlungen mit Schneider und den Kammerspielen beendet habe, wolle man sich auch den Problemen der anderen Theater zuwenden. „Der Haushalt 1999 wird allerdings erst im Juni vom Senat beschlossen“, gibt der Sprecher gleich darauf zu bedenken. „Da gibt es dann wieder neue Einsparungsvorgaben.“ Mal sehen, bei wem es dann ums Überleben geht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen