Lasche Kontrolle für tödliche Droge

■ Ärzte rufen nach Hamburger Todesfällen zu Vergabekontrollen bei Methadon auf / Aber zuständige Bremer Ressorts verzichten auf Schwachstellenanalyse

Wegen Todesfällen im Zusammenhang mit der Ersatzdroge Me-thadon wirft Bremen erste kleine Rettungsanker aus. Der synthetische Ersatzstoff kursiere bereits in „erheblichem“ Umfang auf dem Schwarzmarkt, bestätigt Michael Haase, Leiter der polizeilichen Rauschgiftinspektion. Die jüngsten Todesmeldungen aus Hamburg machen die Bremer offenbar unruhig: Ärzte vom „Qualitätszirkel“ der Bremer Ärztekammer rufen Kollegen nun zur Vorsorge gegen die „Schwachstellen“ im Bremer Methadonprogramm auf.

Denn die gibt es im Grunde schon länger zuhauf, berichten Polizei und Ärzteschaft (vgl. taz S. 22). Derzeit bekommen rund 1.000 Abhängige in 60 Arztpraxen sowie am Wochenende und an Feiertagen an einem Sonderbus ihre Ersatzdroge Methadon. „Einige lassen das flüssige Methadon dabei einfach im Mund“ statt es herunterzuschlucken, und schmuggelten es so hinaus, erklärt Inspektionsleiter Haase von der Bremer Kriminalpolizei. Oder sie praktizieren Mißbrauch beim seit 1. Januar 1998 erlaubten „take-home“: Der Substituierte bekommt dabei seine „Ration“ vom Arzt für bis zu sieben Tage mit nach Hause.

„Kontrolle“ durch die Ärzte fordert deshalb schon länger die Kripo und stößt bei der Bremer Ärzteschaft nun auf offene Ohren. In Hamburg nämlich hatte eine rechtsmedizinische Studie ergeben, daß im vorigen Jahr die meisten Drogentoten an Methadon gestorben waren. Von den 78 untersuchten Toten starben 38 an den Folgen von Methadon, acht an einer Mischung aus Methadon und Heroin sowie 32 an Heroin. Das Ergebnis entfachte in Hamburg und bundesweit eine Diskussion über die Vergabesicherheit der „tödlichen Ersatzdroge“.

Schwarze Schafe unter den Ärzten will der Qualitätszirkel Bremer Substitutionsärzte nun verstärkt in die Pflicht nehmen, sagt Vertreter Dr. Peter Heinen. Denn zuviele schauten bei der Einnahme in der Praxis schlicht nicht zu. Die Folge: Methadon gelangt auf den Schwarzmarkt. Der Käufer kippt dann noch Alkohol oder Kokain auf die schwer zu dosierende Ersatzdroge, „und schon liegt er im schwarzen Container“, weiß Kripo-Leiter Haase.

„Neu sensibilisieren“ wollen nun die Ärzte ihre Kollegen – und vorerst nur Kontrollen anmahnen, so Dr. Heinen. In seiner Praxis am Bahnhof schlucken Substituierte das Methadon nur unter strikter Aufsicht. Außerdem gibt es regelmäßig Urinkontrollen – um so den gefährlichen Beigebrauch mit anderen Drogen zu vermeiden. Patienten bestimmter Ärzte, die z.B. im Entzug oder bei Beratungsstellen durch Beigebrauch oder ähnliches auffielen, sollten außerdem künftig vor die Methadon-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung geladen werden – um sie vom Methadon-Programm zu „beurlauben“.

Diese ersten, vorsichtigen Maßnahmen gehen der Kriminalpolizei aber nicht weit genug. Die Ärzte würden ohne jede Registrierpflicht weiter „voll aus der Verantwortung gelassen“, kritisiert Inspektionsleiter Haase. Im Todesfall sei kaum nachzuvollziehen, wer das Opfer behandelt habe. Vergabe „nur unter Aufsicht“, fordert Haase deshalb – und damit das Ende von „take home“, was die Ärzte aber strikt ablehnen: 60 Prozent der Substituierten könnten mit Methadon beispielsweise wieder regelmäßig arbeiten gehen. Die zeitraubende Methadonvergabe beim Arzt bleibe ihnen durch „take home“ erspart. „Soll man diesen Leuten die Chance nehmen, nur weil andere versagen?“ fragt deshalb Substitionsarzt Heinen.

Eine Frage, die Gesundheits- und Innenbehörde lieber erst gar nicht thematisieren. Sie verzichten lieber auf Ursachenforschung: Aus Kostengründen finden rechtsmedizinische Untersuchungen zum Drogentod, anders als in Hamburg, im Bundesland Bremen neuerdings nicht mehr statt, bestätigte jüngst der Bremer Drogenbeauftragte das Ende der Obduktionen. Woran also in Bremen die allein 67 Drogentoten im vergangenen Jahr starben (1997 waren es „nur“ 49) bleibt daher völlig offen. kat