: Lehrter Bahnhof bleibt im Tunnel stecken
■ Bahn AG räumt Verzögerungen für Tiergartentunnel ein. Bahn- und Autoröhre womöglich erst 2005. Lehrter Bahnhof wird damit voraussichtlich auch später fertig. Verkehrspolitiker der Hauptstadt verbittert
Eine spätere Fertigstellung des umstrittenen Bahn- und Straßentunnels unter dem Tiergarten wird immer wahrscheinlicher. Claudia Ruttmann, Sprecherin des zuständigen DB-Projekts Knoten, wollte weder bestätigen noch dementieren, daß die Tunnel, die unter der Spree teilweise parallel laufen, erst 2005 in Betrieb gehen könnten. Der Tunnel für die vier Bahngleise sollte ursprünglich 2002 fertig werden. Derzeit würden die Kosten- wie die Terminpläne überprüft, erklärte die Sprecherin. Erste Ergebnisse würden in etwa vier Wochen vorliegen.
Mit einer Verzögerung der Tunnel unter dem Tiergarten würde sich auch die Inbetriebnahme des zukünftigen zentralen Lehrter Bahnhofs verzögern. Zu ihm soll die Bahnstrecke unter dem Tiergarten führen. Sahen die ersten Planungen noch vor, daß Züge frühestens im Jahr 2000 vom Großbahnhof abfahren, war zwischenzeitlich 2003, seit Anfang dieses Jahres dann 2004 anvisiert.
Wie Ruttmann erläuterte, habe der Wassereinbruch in das Tunnelstück am Gleisdreieck im Juli vorletzten Jahres zu Verzögerungen geführt. So mußten Ruttmann zufolge etwa die Aus- und Einfahrten für die im Durchmesser neun Meter großen Bohrmaschinen zusätzlich verstärkt werden. An manchen Stellen habe man das sandige Erdreich sogar mit Hochdruck-Wasserstrahlen „erschütterungsfrei abbauen“ müssen.
Wegen der Verknüpfung der Bauten für den Bahn- und Straßentunnel verzögere sich mit einer verspäteten Fertigstellung der unterirdischen Bahntrasse auch die Inbetriebnahme des Autotunnels, erklärte die Bahnsprecherin. „Im großen und ganzen“ sei auch die Annahme richtig, daß mit einer Verzögerung beim Bauabschluß der Tunnel auch der Lehrter Bahnhof erst später eröffnet werden könne, räumte Ruttmann ein.
Doch schon jetzt hinkt die Bahn der Stadt weit hinterher. Wie eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung bestätigte, werde das Teilstück des Straßentunnels, das Berlin baue, wohl wie vorgesehen dieses Jahr fertig. Man sei mit diesem drei Kilometer langen Abschnitt der B 96 „im Zeitplan“.
Auf eher bittere Reaktionen stießen die Verzögerungen unter den Verkehrspolitikern der Hauptstadt. Christian Gaebler (SPD) kündigte an, daß sich der Bauausschuß des Abgeordnentenhauses am 5. Mai mit den Schwierigkeiten bei der Erschließung des Parlaments- und Regierungsviertels befassen werde. Er zeigte sich verwundert, daß Senat und Abgeordnete nicht früher über die Verzögerungen informiert worden seien. Die Bahn sollte jetzt das Straßen-Teilstück, das sie baue, vorrangig voranbringen. Sie sei es, die mit den Verspätungen bei ihren Projekten derzeit, „alles verzögert“.
Jutta Matuschek (PDS) betonte, ihre Fraktion halte den ganzen Straßentunnel für unnötig. Das Unternehmen sei zu gewaltig und zu groß; es sei absehbar gewesen, daß es teurer werde und später komme als geplant.
Michael Cramer (Bündnis 90/Grüne) betonte, die Bahn könne „froh sein, wenn der Lehrter Bahnhof 2005 fertig wird“. Die Probleme der Bahn seien hausgemacht, da sie in zwei Jahren schon den dritten Geschäftsführer habe und sich derzeit vor allem mit sich selbst beschäftige. Es gehöre offenbar zur Taktik der Bahn, Verzögerungen beim Bau ihrer Bahnhöfe, wie etwa beim Bahnhof Papestraße, nach und nach bekanntzugeben. Statt den Lehrter Bahnhof zu bauen, hätte die Bahn besser für nur 20 Millionen Mark den Bahnhof Friedrichstraße ICE-tauglich gemacht. Der läge dann sogar näher zum Regierungsviertel. Allein der Lehrter Bahnhof soll Cramer zufolge 800 Millionen Mark kosten. Philipp Gessler
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