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„Die Milizen entwaffnen“

■  Norbert Blüm (CDU), Ex-Bundesarbeitsminister und jetzt Mitglied im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, zur Lage in Ost-Timor und zur Rolle Deutschlands

taz: Wie beurteilen Sie die Lage in Ost-Timor?

Norbert Blüm: Sie ist hochexplosiv, Gewalt liegt in der Luft. Kurz bevor wir ankamen, gab es in der Nähe von Dili ein großes Massaker, und kurz nach unserer Abreise folgte in Dili ein großes Massaker. Die Täter sind wildgewordene proindonesische Milizen, und das Militär schaut zu. Militär und Geheimdienst können nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Die paramilitärischen Milizen müssen entwaffnet werden.

Unternimmt die indonesische Regierung genug?

Die Regierung unterstützt die Gespräche der Bischöfe Belo und Nacimiento mit allen Parteien, doch ohne Entwaffnung und solange die Schlächtereien andauern, sind Gespräche ohne dauerhafte Erfolgsaussichten. Die Regierung steht in der Verantwortung, daß das Militär die Milizen entwaffnet und ihnen nicht noch Schützenhilfe leistet.

Wie stehen Sie zur Forderung nach UN-Blauhelmen?

Das ist ein weiterer Schritt, doch der erste heißt Entwaffnung, und die muß Indonesiens Militär schaffen. Der weitere Prozeß verlangt friedensichernde Maßnahmen der UNO. Ost-Timor braucht auch wirtschaftliche Perspektiven.

Die Milizen werden von indonesischen Militärs be- und nicht entwaffnet. Sollte die UNO die Entwaffnung durchsetzen?

Präsident Habibie bestreitet den Flankenschutz des Militärs für die Milizen. Aber Tatsache ist, daß bei dem Massaker, bei dem 50 Menschen geschlachtet wurden, das Militär vor Ort war und nicht eingriff. Deshalb der Appell an Indonesiens Regierung, das Militär einzusetzen, um die Schlächterkompanien zu entwaffnen. Je turbulenter es in Ost-Timor zugeht, desto mehr erübrigt sich eine Volksabstimmung, weil die dann keine Befriedung mehr schafft.

Und wenn das Militär nicht das tut, was es sollte?

Die Gespräche, die Bischof Belo mit allen Beteiligten führt, müssen zum Abschluß kommen wie auch die Gespräche in New York unter Einbeziehung Portugals. Ich habe nichts anderes als den Druck der Staatengemeinschaft einschließlich der EU auf die indonesische Regierung.

Aber Indonesien weigert sich, die Milizen zu entwaffnen.

Bei unserem Gespräch mit Habibie waren Verteidigungsminister Wiranto und der oberste General dabei, sie haben gemeinsam für Waffenruhe plädiert, die Militärs angeblich sogar für Entwaffnung. Ich habe daran Zweifel.

Noch mal: Sollten UN-Blauhelme die Milizen entwaffnen?

Zur Entwaffnung der Milizen muß Indonesiens Militär von seiner Regierung gebracht werden.

Die frühere Kohl-Regierung hatte enge Beziehungen zur Regierung des früheren indonesischen Präsidenten Suharto. Kohl bezeichnete Suharto als Freund. War dies ein Fehler?

Ich habe keine Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Habibie will eine Liberalisierung, insofern ist das Verhältnis zu komplizert, als daß die Frage mit Ja oder Nein beantwortet werden könnte. Habibie trägt jetzt Verantwortung und er hat einen Schritt zur Demokratisierung unternommen. Deswegen würde ich Habibie nicht die Unterstützung versagen, allerdings mit dem Druck, für Frieden in Ost-Timor zu sorgen.

Unter der Kohl-Regierung wurde Indonesiens Militär mit Waffen ausgerüstet. Nach offiziellen Angaben gab es allein von 1986 bis Mitte 1996 680 Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Indonesien. War das ein Fehler?

Wir müssen generell mit Waffenlieferungen vorsichtiger sein, als wir es früher waren und leider auch heute sind.

Was sollte Deutschland jetzt machen?

Deutschlands hohes Ansehen in Indonesien muß für Druck auf die indonesische Regierung genutzt werden. Auch Europa sollte ins Spiel kommen, Portugal hat Verantwortung in Ost-Timor. Wir müssen uns um dieses Land mehr kümmern als in der Vergangenheit. Es bedarf stärkerer Angebote für Entwicklungshilfe.

Interview: Sven Hansen

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