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Auch die Vergangenheit ist keine Hilfe

■ Aus der Erfahrung des Holocaust ziehen Überlebende gegensätzliche Lehren für die Lösung der Krise im Kosovo. In Zeitungsanzeigen werben sie für ihre Positionen

„Wenn die Geschichte fragt, wer hat sich dem Bösen im Kosovo in den Weg gestellt, wird die Antwort sein: die Nato.“ In einer Anzeige in der Europa-Ausgabe der International Herald Tribune wird derzeit das Hohelied der Nato gesungen. „In diesem dunklen Jahrhundert, das Zeuge unaussprechlicher Fälle von Unmenschlichkeit wurde, applaudieren wir der Allianz dafür, einen prinzipienfesten Standpunkt bezogen zu haben.“

Mit dem gegenteiligen Tenor schloß gestern eine ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Rundschau. „Schluß mit dem Krieg gegen Jugoslawien. Einstellung des Bombardements. Verhandeln statt schießen.“ Gemeinsam ist beiden Anzeigen die Bezugnahme auf die Erfahrung des Holocaust.

Die Nato-Eloge stammt aus der Feder des American Jewish Committee (AJC), 1906 von deutschstämmigen Juden gegründet und heute eine der wichtigen Organisationen der jüdischen Community in den USA. Der Nato-kritische Aufruf wurde von einer Gruppe von Auschwitz-Überlebenden verfaßt. In einem offenen Brief an die Minister Joschka Fischer und Rudolf Scharping wenden sie sich gegen „Äußerungen der Bundesregierung zu Parallelen Auschwitz/Kosovo“. Sie warnen, wer den Einsatz im Balkan mit der Notwendigkeit verteidige, kein zweites Auschwitz zuzulassen, begehe „eine neue Art der Auschwitzlüge“.

„Ich habe mein zweijähriges Kind vor der Vergasung retten müssen“, sagt Peter Gingold, 83 Jahre, einst aktiver Kommunist und heute als Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) Auftraggeber der Frankfurter Anzeige. „Ich will nicht sagen, ich wäre glücklich gewesen, aber doch froh, wenn uns nichts Schlimmeres gedroht hätte, als vertrieben zu werden.“ Bei aller Grausamkeit des serbischen Vorgehens im Kosovo „ist es nicht so, daß Miloevic angetreten ist, die gesamte albanische Bevölkerung zu vernichten. Deshalb ist das für mich kein Völkermord.“

„Es ist das größte Desaster in Europa seit dem Holocaust“, meint Eugene DuBow, Direktor des europäischen AJC-Büros in Berlin und gerade von einer Reise durch Makedonien zurückgekehrt. „Was nicht bedeutet zu sagen, es sei wie der Holocaust“, ergänzt seine Mitarbeiterin Deidre Berger.

Peter Gingold sieht als einzigen Ausweg aus der Krise die Rückkehr zur Politik. Die AJC-Anzeige liest sich wie ein direkter Konter: „Die Geschichte lehrt uns – oder sollte uns gelehrt haben –, daß Diplomatie und Vernunft ihre Grenzen haben, wenn es darum geht, mit einem Miloevic umzugehen.“ Dieselbe Erfahrung – und so unterschiedliche Schlußfolgerungen? Deidre Berger wird philosophisch: „Es gibt hier eine Menge Geschichte ...“ Patrik Schwarz

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