Dramatische Situation in Gefängnissen

■ Justiz: Sicherheit gefährdet. Grüne: Menschenrechte verletzt

Die Situation in den Berliner Gefängnissen wird immer dramatischer: Mehr als 300 Gefangene sitzen ein, ohne daß es für sie Haftplätze geben würde. Zellen werden mehrfach belegt, Gruppenräume zweckentfremdet. Die Justizverwaltung warnt: Die Innere Sicherheit ist in Gefahr.

„Die erhebliche Überbelegung der vorhandenen Anstalten droht zu einem Risiko für die Sicherheit des Justizvollzuges und damit für die innere Sicherheit insgesamt zu werden“, heißt es in einer Einschätzung der Justizverwaltung, die der taz vorliegt. „Überbelegung, Mehrfachbelegung von Einzelhafträumen und Einschränkung von Gruppenräumen zwecks Belegung mit Gefangenen schaffen ein Klima der Aggression und der Gewalt, das unbeherrschbar werden könnte.“

Auf 4.851 Haftplätze kommen nach den neuesten Zahlen der Justizverwaltung derzeit 5.180 Gefangene. Tendenz steigend. In diesen Zahlen sind die Abschiebehäftlinge nicht enthalten, sie unterliegen der Verantwortung des Innensenators.

Noch einen Monat vor dem Fall der Mauer, im Oktober 1989, saßen gerade mal 3.094 Häftlinge in den Berliner Gefängnissen, 3.685 Haftplätze waren vorhanden. Im Januar 1993 waren es bereits 3.673 Gefangene.

Justizsprecherin Svenja Schröder-Lomb bestätigte der taz die dramatische Entwicklung. Seit Berlin mit dem Mauerfall eine offene Stadt geworden sei, habe sich die Kriminalität in der Hauptstadt sowohl verändert als auch erhöht. „Die Schmerzgrenze ist jetzt erreicht“, betonte Schröder-Lomb, dennoch steige die Zahl der Inhaftierten in Berlins Gefängnissen kontinuierlich an.

Mittelfristig rechnet man nach Aussagen Schröder-Lombs angesichts der Entwicklung seit 1989 und anhand von Vergleichszahlen aus anderen deutschen Großstädten mit 6.000 Gefangenen in Berlin. Das Klima in den Haftanstalten sei dementsprechend, die Situation der Gefangenen sehr schwierig ebenso wie für die Bediensteten in den Haftanstalten.

Während sich die Justizverwaltung vorwiegend um die Innere Sicherheit sorgt, sieht die Justizexpertin und Fraktionschefin der Bündnisgrünen, Renate Künast, angesichts der neuesten Zahlen die Menschenrechte in Gefahr: „Die Situation in den Gefängnissen ist dramatisch. Resozialisierung ist unter solchen Bedingungen nicht machbar. Und die Menschenrechte der Inhaftierten werden verletzt.“

Künast verortet das Problem der Überbelegung in unnötigen Inhaftierungen. Sie verlangt nach Maßnahmen zur Haftvermeidung statt ein neues Gefängnis zu bauen. Barbara Junge