: Neuer Trainer glänzt mit alten Parolen
■ Nach dem 2:2 gegen Rostock ist man bei Eintracht Frankfurt vor allem eines – ratlos
Frankfurt (taz) – „Ein absolutes Kampfspiel.“ Hansa Rostocks Trainernovize Andreas Zachhuber hat sich schnell in die sprachlichen Gepflogenheiten des Abstiegskampfs eingefunden. Jörg Berger kennt sich dort, im Gewirr von Durchhalteparolen und Schönreden, schon länger aus: „Es ist nicht aussichtslos“, gab er nach dem versiebten Schicksalsspiel seiner Frankfurter Eintracht zum wahrscheinlich x-ten Male in seiner Karriere als Spezialist für Rettungsmissionen zum besten.
Nach dem 2:2 konnte der Frankfurt-Rückkehrer mit den ersten 90 Minuten unter seiner Regie nicht zufrieden sein: Spielerisch und vor allem physisch war die Eintracht den Rostockern unterlegen. Der oft zitierten Schub eines Trainerwechsels war nicht zu sehen.
Berger konnte auf den genesenen Kapitän Ralf Weber und Angreifer Chen Yang zurückgreifen und setzte dennoch auf die Stärkung seiner Defensive: Der etatmäßige Spielmacher Thomas Sobotzik fand sich neben dem in der Rückwärtsbewegung anfälligen Rechtsaußen Ansgar Brinkmann auf der Bank wieder, die abwehrstärkeren Zampach und Gebhardt rückten dafür ins Team. Spielerische Leere, Bernd Heynemanns pedantische Trillerpfeife und ein zwischen den Abwehrreihen mit weiten Schlägen zirkulierender Ball bestimmten die Szenerie.
Die Sonnenbank-Bräune des Feuerwehrmannes auf der Frankfurter Bank wich nach Victor Agalis 2:1 für Hansa endgültig entsetzter Blässe. Spätestens in dieser 68. Spielminute muß auch Berger bewußtgeworden sein, auf was er sich eingelassen hat. „Wir waren einfach übernervös und konnten den Druck nie abstreifen“, erklärte Berger. Dabei war die Eintracht vor allem körperlich erschreckend schwach, auch wenn Westerthaler noch das 2:2 gelang. Horst Ehrmantraut hatte in der Hinrunde das Team noch mit akribischen Fitneßprogrammen malträtiert. Und wurde dafür oft belächelt. Doch körperlich präsentierte sich die Mannschaft damals wenigstens an ihrer Leistungsgrenze.
Vor allem „individuelle Fehler“ erkannte Berger. Erfahrene Spieler wie der bulgarische Nationalspieler Petr Hubtchev und Grätschenkönig Uwe Bindewald dilettieren mit haarsträubendem Stellungsspiel. Bei Hansas zweitem Treffer stürzten sich beide auf den durchgebrochenen Oliver Neuville, so daß Agali unbedrängt dessen Flanke einköpfen konnte. Getreu einer bei Schülermannschaften verbreiteten Laufbewegung – alle auf den Ball. Doch Berger meint genau zu wissen, wie die Seelen abstiegskampfverstrickter Spieler funktionieren. „Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen“, ist er genötigt, seine Spieler trotz der haarsträubenden Fehler gleich wieder lieb zu haben.
Auf Kicker, die ihre Kollegen mitreißen können, baut er nun, um dem von der Fanzschen Teilnahmslosigkeit gezeichneten Team die bitter nötige Struktur zu verpassen. Top-Kandidaten auf die zu vergebenden Pöstchen der Trainer-Lieblinge sind dabei Kapitän Ralf Weber, Mittelfeldstratege Bernd Schneider und der norwegische Stürmer Jan-Age Fjörtoft, der unter Fanz gedemütigt von der Bank aus zusehen mußte.
Doch Berger rennt die Zeit davon. Mit weiterhin vier Punkten Rückstand und noch sechs ausstehenden Spielen kommt am Riederwald nun jeder Strohhalm recht: Bei jeder seiner Rettungsmissionen mißlang Berger im ersten Spiel der Sieg, hatten findige Statistiker schnell errechnet. Doch angesichts der Defizite zeichnet sich ab, daß es bei der Eintracht an deutlich mehr als diesem einen Tor scheitern wird, das Berger bei seinem jüngsten Rettungsversuch in Karlsruhe vor einem Jahr fehlte, wie er nicht müde wird zu betonen. Klaus Teichmann
FC Hansa Rostock: Pieckenhagen – Rehmer, Weilandt, Ehlers – Lange, Wibran, Yasser, Emara (46. Majak, 85. Dowe), Breitkreutz – Agali (89. Fuchs), Neuville
Zuschauer: 32.000
Tore: 0:1 Wibran (42.), 1:1 Bernd Schneider (55.), 1:2 Agali (68.), 2:2 Westerthaler (89.)
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