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Der bullige Herr spricht gut zu

Deutsche Tennisspielerinnen sind nach ihrem 3:2 gegen Japan offiziell wieder erstklassig, auch weil Bundestrainer Markus Schur erfolgreich Südfrüchte verteilt  ■ Aus Hamburg Matthias Greulich

Der Fed-Cup-Kapitän wirkte erleichtert, als er endlich die erste Banane schälen durfte. „Die Spielerinnen brauchen jede Unterstützung.“ Markus Schur findet nichts dabei, Südfrüchte zu reichen. Schließlich gehört es zu den originären Aufgaben des 37jährigen, die Frauen des Deutschen Tennisbundes beim Fed-Cup-Spiel gegen Japan am Spielfeldrand mit Tips und Erfrischungen in den kurzen Pausen zwischen den Seitenwechseln aufzumuntern. Vor allem Andrea Glass (22) schien der diskrete Zuspruch des etwas bulligen Herrn im weißen Pullunder gutzutun. Die Darmstädterin (Weltranglistenplatz 65) überzeugte, gewann gestern auch ihr zweites Einzel und wurde vom überraschten Teamchef gelobt: „Ich hatte sie nicht so stark erwartet.“ Anschließend holte Elena Wagner mit 7:6, 6:3 gegen Miho Saeki den entscheidenden dritten Punkt und verhalf den deutschen Tennisspielerinnen zum Wiederaufstieg in Weltgruppe 1.

Noch vor dem Spiel hätte Schur die Bananen selbst nötig gehabt. „So eine Woche möchte ich nicht noch mal erleben“, so Schur. Schließlich sei die Situation „beschissen gewesen“, redete der Kapitän nicht lange um den heißen Brei herum. Nach den verletzungsbedingten Absagen seiner Topspielerinnen Steffi Graf und Anke Huber mußte der Teamchef via Handy binnen zwei Tagen für Ersatz sorgen, „um hier nicht ganz alleine zu stehen“. Und die ersehnte Unterstützung traf – nach gutem Zureden Schurs – in Gestalt der Heidelbergerinnen Wagner und Jana Kandarr aus Budapest ein. Damit der Deutsche Tennis Bund (DTB) überhaupt ein konkurrenzfähiges Fed-Cup-Team am Hamburger Rothenbaum präsentieren konnte, mußten beide aus dem laufenden Turnier in der ungarischen Hauptstadt aussteigen.

Keinen Bettel-Anruf von Schur bekam allerdings die mit Weltranglistenplatz 50 nominell drittbeste Deutsche, Barbara Rittner. „Daß sie nicht nominiert wurde, hat keine sportlichen Gründe“, stellte der Teamchef auch in Hamburg noch einmal klar. Nach gegenseitigen Vorwürfen sei das Verhältnis nun nicht mehr zu reparieren.

Kann der Kapitän also etwas für den Schlamassel? „Was soll er denn machen, wenn sich alle verletzen“, sprach Bernd Schneider aus Hannover, Tennisfan seit zwölf Jahren, stellvertretend für den Block der Hartgesottenen, der dicht am Court zu sitzen pflegt.

Natürlich, eine Legende wie sein Pendant im Davis-Cup-Team, Boris Becker, ist Schur nicht. Dafür liest sich seine Vita zu unspektakulär: den B-Trainer-Schein hat er gemacht, in der Bundesliga für Karlsruhe gespielt und von 1988 bis 1996 hat er Steffi Graf betreut – zuerst als Trainingspartner, dann als Assistenzcoach.

Entsprechend zurückhaltend sein Auftritt am Rothenbaum: Keine großen Gesten, eher zaghafte Zurufe („Vorhand!“) und eine flüchtige Umarmung für die Spielerinnen. Hier kann und will einer nicht den Zampano geben.

Zum Glück für Schur und seine B-Besetzung mußte auch Japan auf ihre Nummer Eins, Ai Sugiyama (Weltrangliste Nummer 27), verzichten. Die war im Training umgeknickt. Wie gefährlich die Japanerinnen trotzdem noch waren, mußte Elena Wagner (26) erfahren, die am Samstag gegen den an 130 geführten Sugiyama-Ersatz Saeki, „eine Gegnerin, die ich noch nie gesehen hatte“, überraschend verlor.

So erfolgreich sich das deutsche B-Team gegen Japan schlußendlich auch mühte, durch das Verletzungspech trat offen zutage, was dem hiesigen Frauentennis droht, falls Steffi Graf in naher Zukunft das Racket gänzlich zur Seite legen sollte. So verloren sich am Sonnabend nur ganz eingefleischte Fans im DTB-Stadion – 10.000 Plätze der Betonarena blieben leer.

Und von den 3.000 Unentwegten hatten viele die Tickets noch in der Hoffnung gekauft, „die Steffi noch einmal zu erleben“, erzählte Fan Schneider. „Nun“, so der Graf-Anhänger weiter, „sind wir halt trotzdem gekommen.“ Angesichts des Dilemmas mahnte Schur dringend Strukturverbesserungen beim DTB an. „Mit den Sichtungen auf Verbandsebene beginnen wir zu spät“, findet der Fed-Cup- Kapitän. Wie es anders laufen könne, hätten die Franzosen vorgemacht. „Die“, so Schurs Erkenntnis, „haben drei Spielerinnen unter den ersten zehn der Weltrangliste“. In fünf bis sechs Jahren hofft auch Schur eine ähnlich breite Spitze aufbieten zu können.

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