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■ StandbildKriegsfolklore

„Die Deutschen im Krieg“, Fr., 22 Uhr, ARD

Manchmal machen feine Nuancen den großen Unterschied. So schickte die ARD eine Eilmeldung an alle Redaktionen: Der Titel der Freitagsreportage habe sich geändert: von „Die Deutschen und der Krieg“, in „Die Deutschen im Krieg“. Da hat wohl jemand die Distanzlosigkeit eines Volkes bemerkt, das sich eben nicht „im“ Krieg befindet, sondern seine Armee ein fremdes Land angreifen läßt, aber bereits die Bomben über den eigenen Köpfen spürt – und sich unverzüglich selbst in den Mittelpunkt des Geschehens stellt und seine Stimmungslage erkundet. Und die heißt: „Kriegsangst“. Nicht etwa um die „targets“ in Beograd oder die Flüchtlinge im Kosovo. Sondern Angst um die deutsche Gemütlichkeit.

Und gemütlich geht es zu „im Krieg“, wie zwei Teams von Radio Bremen und ORB zeigten: beim Unterricht in einem deutschen Klassenzimmer, wo sauber Pro- und Kontra-Argumente erarbeitet werden; oder beim Sonntagskaffee des Vertriebenenverbands, wo noch immer bemängelt wird, daß man für die deutschen Sudetendeutschen keinen Dritten Weltkrieg begonnen habe; oder bei der seit 17 Jahren jeden Donnerstag in Bremen stattfindenden Friedenskleindemo ergrauter Damen, ein Kaffeekränzchen unter selbstgestrickten Transparenten. In dem Sinne ist es ein Verdienst der ARD-Reportage, ein Abbild deutscher Volksgefühle geliefert zu haben: Kriegsfolklore.

Zu der auch gehört, in einem Kindergarten kleines Schwenkfutter zu suchen und den Zwergen – „Kindermund tut Wahrheit kund“ – Sätze abzupressen: „Die Deutschen sind die Guten, die Bösen sind Miloevic“, heißt es dort im Hort. Die deutsche Wahrheit liegt in den Nuancen: im Sinn des „sind“. Michael Ringel

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