Sonia Gandhi steht im Parlament alleine da

■ Indiens Kongreßpartei findet keine Mehrheit zur Regierungsbildung

Delhi (taz) – Die Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung in Indien stecken in einer Sackgasse. Eine Woche nach dem Rücktritt der Koalitionsregierung unter Premierminister A. B. Vajpayee zeichnet sich unter den 45 Parteien und Unabhängigen des Parlaments keine neue mehrheitsfähige Koalition ab. Die Kongreßpartei konnte Staatspräsident R. K. Narayanan am Freitag nur eine Liste von 233 Abgeordneten vorweisen, die bereit waren, eine Minderheitsregierung unter Parteipräsidentin Sonia Gandhi zu unterstützen. Die einfache Mehrheit beträgt jedoch 272. Narayanan bat die Parteipräsidentin, rasch nach Alternativen wie etwa einer Koalitions- statt einer Minderheitsregierung zu suchen. Aber auch hier ist die Partei blockiert, da einige Parteien sich weigern, am gleichen Kabinettstisch wie deren Rivalin aus der gleichen Region zu sitzen.

Der wichtigste Grund für das bisherige Scheitern Gandhis ist die Furcht der kleinen Parteien, bei Neuwahlen von der Kongreßpartei an die Wand gedrängt zu werden. Sie spekulieren, daß der Wähler der chronischen Instabilität überdrüssig ist und einer der beiden großen nationalen Parteien seine Stimme geben könnte. Besonders die Kongreßpartei hofft, mit Sonia Gandhi, der Witwe von Premierminister Radjiv Gandhi, ein attraktives Wahlsymbol zu haben. Provinzwahlen im letzten November hatten gezeigt, daß ihre italienische Herkunft und ihr katholischer Glaube ihr beim Wähler kaum geschadet haben. Sonia Gandhis größte Schwächen ist ihre Unerfahrenheit. Die Ereignisse der letzten zwei Wochen haben aber gezeigt, daß sie dem Druck des Apparats nicht widerstehen konnte, einen übereilten Anlauf zur Macht zu unternehmen.

Damit zeichnen sich immer mehr Neuwahlen ab, obwohl die meisten Parteien mit Ausnahme des Kongresses dagegen sind. Diese verfahrene Situation versuchen die BJP und ihre Partner auszunützen, indem sie den Präsidenten drängen, ihnen eine neue Chance zur Regierungsbildung einzuräumen. Ex-Premierminister Vajpayee präsentierte dem Präsidenten letzte Woche eine Liste mit 270 Unterschriften von Abgeordneten, die sie zu unterstützen bereit sind. Das sind zwei weniger als die absolute Mehrheit, aber bedeutend mehr als Sonia Gandhi hinter sich scharen konnte. Präsident Narayanan hat Verfassungsbedenken gegen eine zweite Vertrauensabstimmung für eine Grupperung, die bereits einmal in die Minderheit versetzt worden ist. Aber der BJP ist es gelungen, Narayanan in die Ecke zu drängen, indem sie seine Unparteilichkeit in Frage stellt. Er ist ein ehemaliger Kongreß-Politiker. Bernard Imhasly