Nato jetzt allzeit bereit – auch ohne UNO-Mandat

■ Pünktlich zum 50. Geburtstag gibt sich die Nato eine neue Strategie: Sie will nicht länger nur Beistandspakt sein, sondern auch bei Krisen außerhalb des Bündnisgebiets eingreifen. Dies soll in der Regel mit UN-Mandat geschehen. Voraussetzung ist es nicht

Washington (taz) – Die Nato hat auf ihrem Regierungsgipfel in Washington ein neues strategisches Konzept verabschiedet, in dem die „Vermeidung“ und „Beilegung“ von Krisen zu neuen Kernaufgaben des Verteidigungsbündnisses erklärt werden – notfalls auch ohne UNO-Mandat.

Als sicherheitspolitische Bedrohungen, Risiken und Krisenszenarios gelten laut der neuen Strategie künftig unter anderem „Terrorakte“, „Sabotage“, „die Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen“ oder die „unkontrollierte Bewegung einer großen Zahl von Menschen, insbesonders als Folge bewaffneter Konflikte“. Militärische Einsätze der Nato zur „Vermeidung“ und „Beilegung“ derartiger Krisen sollen zur „Stabilisierung und Sicherung des Euro-Atlantischen Raumes“ erfolgen. Ob damit ausschließlich Einsätze innerhalb dieses Raumes gemeint sind, geht aus dem Wortlaut des Konzepts nicht eindeutig hervor. Die Nato-Einsätze zur Krisenprävention und -beilegung sollen zwar „auf der Basis“ und in „Übereinstimmung mit den Prinzipien der UNO-Charta“ stattfinden. Doch die Nato macht sie nicht ausdrücklich von einem durch den Sicherheitsrat beschlossenen UNO-Mandat abhängig.

Die Nato beschloß auf ihrem Jubiläumsgipfel in Washington ferner, die Bedeutung Europas im Bündnis zu stärken. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Samstag, das neue Konzept definiere die Nato als europäisches Verteidigungsbündnis. Aber auch über diese Kernfunktion hinaus könne die Nato eingreifen. Dies solle in der Regel mit einem Mandat der UNO geschehen.

Nato-Generalsekretär Solana erklärte auf die Frage, ob die Nato für jedes Eingreifen außerhalb ihres Gebietes eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates brauche, kurz: „Nein“.

Der französische Präsident Jacques Chirac sagte dagegen mit Bezug auf den UNO-Sicherheitsrat: „Die Nato kann und wird nicht ohne Genehmigung ihrer internationalen Organisation handeln.“ Wenn für die Nato Ausnahmen vom UNO- Recht gemacht würden, wäre dies ein gefährliches Beispiel für Staaten oder Organisationen, die nicht westliche Werte teilten. Dies könnte zu einem „Recht des Stärksten“ führen.

US-Präsident Bill Clinton sagte, das neue Konzept lasse ausdrücklich Aktionen zu, wie sie die Nato derzeit im Kosovo- Konflikt unternehme. Dagegen sagte der deutsche Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, General Klaus Naumann, der Kosovo-Krieg sei kein Beispiel für das neue strategische Konzept: „Die Nato wird keine Interventionsallianz.“

Bei dem Jubiläumsgipfel wurden auch die drei neuen Nato-Mitglieder aus dem früheren Ostblock offiziell begrüßt. Das Bündnis legte sich zudem nicht auf die Aufnahme weiterer Mitglieder, vor allem aus Osteuropa fest. Andreas Zumach

Auszüge aus dem Strategiepapier Seite 4