: Da kann man so vorbeigehn
■ Die Bremer Landwirtschaftskammer feiert ihren 150. Geburtstag. Inwiefern Bremen aber eine Bananenstadt ist, ließ sich hingegen nun wirklich nicht klären. Schade!
Heute morgen ging ein Touristenpärchen durchs schöne Bremen. Sie, rund und rotbäckig, sprach zu ihm: „Bremen ist eine Bananenstadt.“ „Warum?“, fragte er – mit Glatze und mittelmäßig interessiert. Ein leises Zögern – dann verschwand die Antwort mit dem Pärchen Arm in Arm im Marriot Hotel. Die Öffentlichkeit aber harrt ob dieses leisen Zögerns weiterhin der Aufklärung.
Bananen hin, Touristen her – Fakt ist: Bremen ist eine Stadt der Rindviecher. 13.000 an der Zahl, 4.200 davon sind Kühe. Dieses schöne Wissen ist aufbewahrt in einer der ehrwürdigsten Einrichtungen des Landes Bremen: in den Köpfen und Papieren der Landwirtschaftskammer Bremen, die nicht nur die älteste ihrer Art in ganz Deutschland ist, sondern zudem auch dieser Tage ihre 150 Jahre Lebensdauer feiern darf. Am 20. April 1849 (sechs Wochen nach dem Beschluß der neuen, der demokratischen Verfassung Bremens) beschloß der Bremer Senat ein Gesetz „die Kammer für Landwirtschaft betreffend“, das am 25. April bekannt gemacht wurde. Auch die Bremer Landwirtschaftskammer also wird wohl ein Ausfluß der teutschen Revolution gewesen sein – in zehn Jahren taz-Bremen-Archiv hingegen findet man sie genau einmal.
Schauen wir statt dessen etwas verwundert hinter zwei Herren her, die – einer von ihnen, quelle coincidence!, leicht geplättet, der andere eher rund und rotbäckig – sich im Bürgerpark mit ihren Spaten an einer frisch gepflanzten Eiche zu schaffen machen. Na, geht denn das? Na,dürfendiedenndas?
Keine Angst, sie dürfen. Sind es doch die Herren Hermann Sündermann, seines Zeichens Präsident der Landwirtschaftskammer Bremen, und Kollege-Direktor Karsten Bredemeier, die hier von Ehrenamtes wegen in der frischen Erde buddeln, um aller Öffentlichkeit die Verbundenheit der Bremer Bauern mit ihrem Hanseland zu offenbaren. „Die Stelle ist auch gut“, sagt der Kollege Präsident zum Direktor und meint damit „unsre Baumsache, hier“, also die arme Eiche im Bürgerpark, von der wir nun zu hoffen wagen, daß sie für ihre nächsten 150 Jahre „wie schon gesagt, symbolisch hier gepflanzt“ ward.
„Da kann man einfach so vorbeigehen“, ergänzt nun doch etwas gerührt Kollege Direktor ehrenhalber – und dies erinnert denn in all seiner rotwangigen Bescheidenheit nicht mehr nur an jenes großherzige Lutherwort vom Bäumchen am letzten Tag der Menschheit, sondern zugleich auch an den hochmodernen beuysschen Akt, der einstmals ganz allein im tiefen, tiefen Wald ein zartes Pflänzchen pflanzte – um des bloßen Kunstwerks willen.
Aber nochmals die Fakten: 352 bäuerliche Betriebe sind in Bremens Landwirtschaftskammer zwangsvereinigt, 210 davon vollberuflich. 8.000 Hektar Grünflächen nennen sie ihr eigen, 1.500 Hektar Ackerland. Das ist rund ein Viertel aller Bremer Flächen. Tendenz sinkend. Und wenn erst die Mahndorfer Marsch oder die Osterholzer Feldmark wohn- und gewerbebebaut sind, dann könnte das nochmals bis zu 1.000 Hektar weniger Landwirtschaft in Bremen bedeuten.
Herr Südermann und Herr Bredemeier bedauern die Verluste. Aber zu ihren Aufgaben gehört auch, ihrer Klientel als „Anlaufstelle bei der Bebauung“ zur Seite zu stehen. Daß Bremens Bauern im Zuge des landwirtschaftlichen Flächenverkaufs allesamt zu Millionären werden, sehen sie hingegen nicht: „Das sind relativ wenige, die daran teilhaben.“
Und auch wenn Bremen mit grad mal zwei Prozenten Ökolandwirtschafts-Flächen nicht nur in absoluten Zahlen das deutsche Schlußlicht ist, können die beiden Chefs der Bremer Landwirtschaftskammer auch Bremens Produkte eigentlich nur loben: „Hinsichtlich Eiweißgehalt, Keim- und Zellzahlen ist Bremens Milch überdurchschnittlich gut.“ ritz
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