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Die Zinnsoldaten

Heiter bis heikel: Ende Mai startet das 13. Kabarett-Festival. Diesmal nur in den Kammerspielen  ■ Von Kristina Maroldt

Witze über den Krieg können ins Auge gehen. In Zeiten wie diesen erst recht. Trotzdem sind sie gerade dann besonders heilsam. Denn der Witz schafft Distanz zu seinem Objekt, hilft das Verspottete kritisch zu beurteilen.

Wenn auf den Plakaten, mit denen derzeit für das 13. Hamburger Kabarett-Festival geworben wird, ein Zinnsoldat sein MG auf den Betrachter richtet und die Veranstaltung als „Heimatfront-Theater“ angekündigt wird, dann ist sich Festival-Leiter Ulrich Waller der provozierenden Wirkung durchaus bewußt: „Es ist sehr heikel über den Krieg Scherze zu machen“, sagte der Kammerspiele-Intendant gestern bei der Vorstellung des Programms. „Trotzdem werden beim ersten Kabarett-Festival, das während eines Krieges stattfindet, wohl alle das Thema reflektieren.“

13 verschiedene Programme werden dieses Jahr vom 25. Mai bis 20. Juni in Hamburg präsentiert. Zum ersten Mal ausschließlich in den Kammerspielen, da der bisherige Ko-Veranstalter Kampnagel sein Gelände wegen des letztjährigen Festivaldefizits nicht mehr zur Verfügung stellen wollte. Sieben Hamburg-Premieren stehen auf dem Spielplan und gleich die Eröffnung mit Mathias Richling ist eine davon: „Ich muß noch was beRICHLINGen“ findet der Kohl-Imitator, der nach dem Regierungswechsel ein ganz neues Programm zusammengestellt hat, um zu beweisen, daß ein Kabarett nach Kohl sehr wohl möglich ist. Dieser Meinung ist sicher auch der Kölner Richard Rogler. Nach seinem Ausflug ins Kneipenmilieu hat er jetzt wieder zu seinem Alter Ego Camphausen zurückgefunden und nimmt als solcher in „Freiheit West“ die Medien(un)kultur unter Beschuß.

Auch die anderen Kabarettisten sind fest entschlossen, zu zeigen, daß es trotz oder gerade wegen der veränderten politischen Situation hierzulande noch jede Menge Bissiges zu bemerken gibt: Siggi Zimmerschmied, der Opener des letzten Jahres, wird seine Passauer Charaktere zum „Klassentreffen“ versammeln. Horst Schroth lädt zu seinem mit dem Deutschen Kleinkunstpreis 1998 ausgezeichneten „Herrenabend“. Matthias Deutschmann wird sich im „Finalissimo“ vor allem mit dem aktuellen Kriegsgeschehen auseinandersetzen und die Missfits zeigen zum Abschluß „Mit Sicherheit“.

Die Nebenbühne im Logensaal ist dieses Jahr in Bayern-Hand: Helmut Schleich und Michael Altinger kommen aus diesem nach wie vor für den Kabarettnachwuchs ergiebigsten Bundesland, Rolf Miller hat sich den Urbayern Gerhard Polt zum Vorbild genommen. Gerade für die jüngeren Künstler bietet der intime Rahmen des Logensaals eine gute Gelegenheit, Erfahrungen vor Publikum zu sammeln. So haben sich die Gipfelstürmer-Abende zum Talent-Sprungbrett gemausert. Bestes Beispiel dafür ist der deutsch-türkische Niederbayer Django Asül, der nach seinem Gipfelstürmer-Auftritt heuer im Hauptprogramm zu sehen ist. Am 18. und 19. Juni werden wieder fünf junge Künstler vorgestellt: Der Frankfurter Kaya Yanar, der sich mit dem Lebensgefühl türkischer Jugendlicher auseinandersetzt, der Kölner Literat Johann Köhnich, der Mainzer Sprachkritiker Ilja Kamphues, der Musikkabarettist Bodo Wartke aus Berlin und Susi Brantl, Mitbegründerin des Münchner Improvisationstheaters Fast Food. Die hiesigen Newcomer präsentieren sich in der Hamburg Revue am 16. und 17. Juni.

Egal, ob man eher auf junge Gipfelstürmer oder alte Bühnenhasen steht – wer beim Festival dabei sein will, muß schnell sein. „Der Vorverkauf hat bereits begonnen“, sagt Ulrich Waller. „Wir konnten es unseren Kassiererinnen nicht mehr zumuten, die ganzen Anfragen immer wieder abzuwimmeln.“

25. Mai – 20. Juni, Kammerspiele, Infos und Karten unter Tel.: 41 33 44 44

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