Subkultur politisch

■ Die revolutionäre Stärke der Linken: Gespräch mit einem Autonomen der Antifa-Aktion Berlin

taz: Was ist am revolutionären 1. Mai noch politisch?

Antwort: Politisch ist, daß der 1. Mai noch immer mit aktuellen Forderungen verbunden ist. In diesem Jahr ist es die Ablehnung des Krieges in Jugoslawien und der Widerstand gegen den türkischen Staat in Kurdistan.

Was hat das mit dem Kampftag der Arbeiterklasse zu tun?

Revolutionäre Forderungen gibt es, seit der 1. Mai als Kampftag auf die Straße getragen wird.

Sehen das die Teilnehmer der Demo genauso? In der Szene heißt es, man bräuchte nur Ort und Uhrzeit zu nennen, und schon würden am 1. Mai zehntausend kommen.

Ich glaube schon, daß es eine allgemeine Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen gibt, mit denen wir es hier gerade zu tun haben. Es gibt aber sicher unterschiedliche Motivationen, sich an der Demo zu beteiligen, etwa soziale Ungerechtigkeiten oder rassistische Ausgrenzung.

In den vergangenen Jahren hatte man aber eher das Gefühl, daß die Mai-Demonstration den Charakter einer Love Parade mit Steineschmeißen hatte.

Wir versuchen natürlich schon, bestimmte kulturelle Aspekte herauszugreifen und damit zu arbeiten, um linke und linksradikale Inhalte ansprechender zu gestalten.

Das Publikum ist ja vorwiegend jugendlich. Wollen diese Demonstranten überhaupt noch politische Parolen hören? Oder ist es eher ein subkultureller Ausdruck, zur Mai-Demo zu gehen?

Ich glaube, es ist beides. Ich würde aber Subkultur nicht mit unpolitisch gleichsetzen.

Die Frage ist doch die, ob die Jugendlichen sich von den politischen Floskeln in den Flugblättern überhaupt noch angesprochen fühlen?

Das stimmt insofern nicht ganz, als es zum Beispiel einen eigenen Jugendaufruf gibt. Damit versuchen wir, der Mobilisierung der verschiedenen politischen Szenen gerecht zu werden. Aber natürlich machen wir als Vorbereitungsgruppe erst mal einen Aufruf, wo das, was wir bei uns diskutieren, drinsteht.

Wirkt denn die Mai-Demonstration eher nach außen oder eher nach innen?

Gerade die 1.-Mai-Demonstration in Berlin hat noch eine starke Außenwirkung. Sie wird auch deshalb wahrgenommen, weil sich an ihr zeigt, wie stark eine revolutionäre Linke noch ist und wie aktuell deren Forderungen sind.

Ist die Verlegung der Demonstration von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg auch Ergebnis der Kritik aus Prenzlauer Berg?

Nein. Mit der Kritik aus Prenzlauer Berg hat das nichts zu tun. Wir haben diese Kritik in den letzten Jahren ja auch deutlich zurückgewiesen. Es kann nicht sein, daß sich Gruppen, die sich ansonsten wenig bis gar nicht äußern und auf eine angeblich eingeborene Kiezbevölkerung beziehen, eine Aussage gegen eine revolutionäre Demonstration treffen können.

Worauf muß man sich denn beziehen, um zu einer revolutionären Demonstration aufrufen zu dürfen?

Auf die Menschen in der Gesellschaft, die hier Widerstand leisten wollen. Die gibt es in Prenzlauer Berg genauso wie in Kreuzberg.

Thema soll ja auch Kurdistan sein. Was passiert denn, wenn es zwischen der ausgebeuteten türkischen Bevölkerung in Kreuzberg und Kurden zu Konflikten kommt?

Damit rechnen wir nicht. Oder besser, wie hoffen nicht, daß das passiert. Das wäre natürlich ein Problem. In diesem Zusammenhang ist in den letzten Monaten aber so gut wie nichts vorgefallen.

Am 1. Mai reden alle vom Wetter. Was, wenn sich Petrus am Samstag von seiner konterrevolutionären Seite zeigt?

Wir hören natürlich alle Wetterbericht. Wenn das Wetter schlecht wird, werden wir über Lautsprecherwagen und Programm versuchen, die Stimmung so gut wie möglich zu gestalten.

Interview: Uwe Rada