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Henning HarnischSchütteln und Backen

■ Für die Kids: Kaunas liegt bei Nuke-Town. Yo. Die Hoopen, die Kids, in Litauen, fett

Neulich war ein echter Eyecatcher im Print am Start: Eine Umfrage des Instituts Sport und Markt ergab nämlich, daß 60 Prozent der Kids Basketball als ihre Lieblingssportart bezeichnen. Fett, denn Fußball erhielt nur 55 Prozent kidsige Zuneigung. Immerhin liegt Fußball bei den Konsum-Aliens damit aber noch vor Beachvolleyball, Inline-Skating und Mitschüler erschießen.

Für die Kids: Kaunas liegt bei Nike-Town. Yo. Die Hoopen, die Kids, in Litauen, fett.

Für die Werbeagenturen des Standortes Deutschland sind die 60 Prozent Basketball-Aficionados schon lange superalter Schnee, denn sie haben ihre Trendscouts – und die pikken nicht nur Fingerfood. Geht nichts mehr im Think-Tank, sind Schlabberhosen und junge Wohlstandsgesichter semiotisch abgenutzt, schlägt die Stunde der wahrlich Kreativen.

Der Joker für jegliche Form von Jugendlichkeit wird gezückt. Hier, wo Sport und Markt sich aneinander anschmiegen wie das Schokoladen- und Vanille-Eis unter der Schokokruste vom Nogger Classic, hier zeigt Kollege Trend, wie einfach, mittels Basketbällen, die Verbindung verschnarchtes Produkt und Jugendlichkeit herzustellen ist: „Du, lassen wir doch einfach einen Basketball über den Opel segeln“ oder „Warum dribbelt nicht die Jenny durch die Raiffeisenbank?“. Oberfett.

Und ist der Fingerfood verdaut, kann man über den Rest der Chose nachdenken: Locations, Events and so on.

Ich wollte den Reklamerotz mal sammeln, suche aber immer noch nach dem Institut, das Werbung nach Symbolen ordnet und das komplette Material dem Interessierten gegen eine Aufwandsgebühr von zwei Mark zuschickt. Vielleicht kann mir jemand weiterhelfen (Mailadresse: www.basketball.de). Kann mir übrigens jemand sagen, ob in München vor zwei Wochen beim Final-Four-Turnier der europäischen Vereinsmannschaften wirklich so guter Basketball gespielt worden ist? Liebend gerne würde ich vom attraktiven Stil der litauischen Sieger des Turniers, Zalgiris Kaunas, schwärmen, der scheinbar so gut spielte, daß sogar die Süddeutsche Zeitung, wahrlich kein Aktivist der Sportart Basketball, sich euphorisch erregte.

Aber die sitzen ja auch in München, die konnten da schnell mal hinschlendern. Ich hatte schlechte Karten: Opel hat den Scheiß nicht gebracht. Keine Bilder. Keine Ahnung, warum nicht. Eigentlich war es eine prima Location, ein cooles Event, auch 'ne Menge People waren da, ein Eyecatcher halt, aber: No pictures.

Und die Kids? Keine Ahnung, was die machen. Opel und Bausparverträge gucken? Don't know. Kennen die Kaunas? Wissen die um Arvidas Sabonis, Sarunas Marciulonis und die große Basketballtradition von Litauen, diesem kleinen Land?

Kann jemand denen – und mir – sagen, wie diese junge Mannschaft Olympiakos Piräus und Kinder Bologna überrannt hat? Wer bietet die Nacherzählung, die es ermöglicht, die Bilder von modernem europäischem Basketball, Made in Lithuania, herbeizuphantasieren, einem Basketball, der sich nicht an der griechischen und italienischen Basketballvariante des Catenaccio orientiert, sondern scheinbar nach dem Motto praktiziert wird „Wir müssen einen Punkt mehr als der Gegner erzielen“.

Vielleicht hilft ja Nike mit einem Werbespot aus, so einem, der den Kids den litauischen Basketball näherbringt. Das könnte so aussehen: Folkloremusik, ruhige Einstellungen, Bilder von Industrieruinen, dunkler Himmel. Schnitt. Folkloremusik geht in litauischen Rap über, schnelle Schnitte, Highlights der Spieler von Kaunas (Nike-Logo). Schnitt. Wakkelkamera auf junge osteuropäische Menschen, die in schäbigen Klamotten vor einer Ostseewerft (evtl. ein vergammeltes Lenin-Denkmal daneben) Basketball spielen, immer schnellere Schnitte: junge Litauer, schmutzige Wäsche, Basketball und Rap. Dann letzte Einstellung: Großaufnahme auf einen jungen, schwitzenden Spieler, der ernst in die Kamera schaut. Musik wird klassisch, irgendwas Russisches, und eine radebrechende russische Stimme aus dem Off paukt pathetisch: „I love this game!“

Fett.

Kids. Fingerfood.

Eyecatcher. Yo. Und Schnitt.

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